Flesh Gothic (German Edition)
blieben. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Allerdings fragte sich Jessica, wer wohl die Rechnungen für den Sack bezahlte. Auf ihrem Einweisungsformular standen keine lebenden Verwandten. Spielt für mich keine Rolle , hielt sie sich vor Augen. Ich werde bloß dafür bezahlt, ihnen die dreckigen Ärsche abzuwischen .
Lustlos schleppte sie sich in den Schlafsaal. So nannte man die Räume hier. Wie in einem College. Allerdings war dies alles andere als ein College. Trotzdem war es besser, hier zu schuften, als gar keinen Job zu haben. Der größte Teil ihrer Arbeit bestand allerdings darin, Bettpfannen zu leeren, Erbrochenes aufzuwischen und bettlägerige oder gelähmte Patientinnen mit einem Schwamm zu waschen.
Im Schlafsaal schob sie den Rollwagen an das Bett heran. »Hallo, Faye.« Sie versuchte, fröhlich zu klingen. »Raus aus den Federn!«
Von der Frau im Bett kam keine Reaktion. Sie sah aus wie tot – die Augen bildeten schmale Schlitze, der Kopf lag schlaff da. Ihr Mund stand offen und entblößte neben schiefen Zähnen schaumigen Speichel. Aber sie war nicht tot, nur weggetreten. Umso besser für Jessica; für sie war es wesentlich einfacher, die Frau zu waschen, wenn sie nicht spuckte oder versuchte, sie zu beißen. Wenigstens hatten sie Faye bislang noch nicht ans Bett fesseln oder in eine Zwangsjacke stecken müssen.
Die Laufrollen des Wagens quietschten, als sie die Wascheimer zur Seite des Betts manövrierte.
Du meine Güte! Sogar in Jessica steckte noch ein Rest von Mitgefühl. Faye Mullins glich einem empfindungslosen Wrack aus menschlichem Fleisch. Ihr Haar war ein hellbraunes Gewirr, ihre Augen starrten ausdruckslos ins Leere. »Komm schon, mach mit, ja?«
Jessica hievte die Patientin in eine sitzende Haltung und lehnte sie gegen das Bett. So gelang es ihr, Faye das zerknitterte weiße Nachthemd vom Leib zu zerren. Lange, schlaffe Brüste hingen wie Fleischlappen über die Speckrollen des Bauchs. Unter den Achseln lugten Haare hervor. Distanz . Jessica zwang sich zu dem Gedanken. Dazu rieten die Ärzte und die ausgebildeten Pfleger regelmäßig. Manchmal, wenn die Patientinnen genug von ihrer Menschlichkeit verloren hatten, fiel das leicht.
Mit verkniffener Miene rieb Jessica mit dem Schwamm Fayes Körper ab, wobei sie ihrem Blick größtenteils auswich.
»Genug, genug«, murmelte die Patientin. »Ich will es nicht mehr tun.«
Durchgeknallt. »Du musst gar nichts tun, Faye.«
»Kein Crack mehr, mein Gott, bitte kein Crack mehr ...«
Jessica ließ die Schultern hängen und versuchte, sich nicht auszumalen, welche schrecklichen Sachen die Frau in dem Haus mit angesehen hatte.
Sie hatte gehört, dass dort ein satanischer Kult lebte und Frauen opferte. Beinahe wünschte Jessica, sie hätten auch Faye geopfert, um ihr das Elend eines verheerten Körpers und die Hölle eines Gehirns wie Pudding zu ersparen.
»Sexus Cyning«, murmelte Faye als Nächstes. Speichel glänzte auf ihren Lippen. »Ich habe es gesehen ...«
»Was, Liebes?«, sagte Jessica und wusch die Speckrollen am Bauch.
»Das Chirice Flaesc .«
Für eine Hilfskraft in einer psychiatrischen Anstalt war derlei Gerede nichts Neues. Die Patientinnen lebten oft in ihren Wahnvorstellungen und erfanden ihre eigenen Worte, ihre eigene Sprache.
»Lass sie mich nicht zwingen, wieder dorthin zu gehen ...«
Schmatz, schmatz, schmatz, machte der Schwamm. »Du musst nirgendwohin, wo du nicht hinwillst, Liebes. Du bleibst hier, wo es sicher ist, und kannst fernsehen. Und das Frühstück ist auch bald fertig.«
Faye würgte Spucke hervor.
Na toll . Jessica tauchte den Schwamm in den Eimer.
Schließlich kam der Teil, den sie immer vor sich herschob. Sie konnte ihn auch auslassen und nur behaupten, sie hätte es getan, allerdings konnten die Patientinnen dann einen Hautausschlag oder Ähnliches bekommen, was schlimme Konsequenzen für sie bedeutete.
Oh Gott ... Was hat sie bloß gemacht?
Jessica teilte Fayes reisfarbene Beine und verkrampfte, als sie mit dem Schwamm den Intimbereich wusch. Die Ärzte und Pfleger hatten sie vorgewarnt, dass sich manche Patientinnen in der Psychiatrie verstümmelten – was in der Regel auf Schuldgefühle zurückging –, und einige taten es sogar an ihren Genitalien. Doch es mit eigenen Augen zu sehen, war noch einmal etwas ganz anderes.
Faye Mullins Schambereich sah wie angenagt aus.
Jessica setzte die Reinigung trotzdem fort und dachte sich: Sieh nicht hin, sieh nicht hin . Dennoch konnte sie sich ein,
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