Fliedernächte: Roman (German Edition)
weiteren Vorgehens anzustellen. Eigentlich könnte sie das genauso gut im Freien erledigen, kam ihr in den Sinn, und dabei den Garten ein wenig vom Unkraut befreien.
Jedenfalls waren sie nach ihrer felsenfesten Überzeugung dem Rätsel um Billys Identität ein ganzes Stück nähergekommen. Eine Erkenntnis, die sie beflügelte und der Suche neuen Schwung verlieh. Sie würden ihn ausfindig machen – sie mussten einfach.
Und dann? Was würde es für Lizzy bedeuten, wenn sie Billy fänden – wenn sie in Erfahrung brächten, wo er gelebt hatte und wo und wie und wann er gestorben war? Würde es ihr endlich Ruhe schenken?
Anders als Catherine hatte das Schicksal es mit ihr nicht gerade gut gemeint. Nur eine Ahnung von Glück und Liebe war ihr vergönnt gewesen, nur ein kurzer Traum, denn in dem Moment, als ihr Leben neu beginnen sollte, wurde es durch eine heimtückische Krankheit vorzeitig beendet. Trotzdem war aus Eliza kein böser, rachsüchtiger Geist geworden. Lizzy war mitfühlend, warmherzig und liebevoll.
Und es war die Liebe selbst, die sie nach all der Zeit noch strahlen ließ. Und die sie bewog, anderen den Weg zu weisen.
Ihr Leben wäre bestimmt schön geworden, dachte Hope. Und glücklich. In einem Haus, das Billy ihr bauen wollte als Heim für eine Familie. Obwohl sie so jung gewesen war, hatte Eliza ganz genau gewusst, was sie wollte, und entschlossen ihre Hände danach ausgestreckt.
Und was willst du, fragte sich Hope.
Sie hielt kurz beim Unkrautzupfen inne und dachte nach. Hatte sie etwa nicht alles, was sie wollte? Zumindest für den Augenblick, wie sie gerne betonte?
Eine Arbeit, die sie liebte; Freundinnen und Freunde, die sie schätzte; Eltern und Geschwister, auf die sie sich verlassen konnte, und einen Geliebten, der keine Wünsche offenließ, der ihr mehr als nur sympathisch war und den sie sexuell attraktiv fand.
Das sei genug, hatte sie ihm erklärt. Sogar mehr als genug.
Trotzdem empfand sie eine nagende, undefinierbare Unzufriedenheit – als ob das Leben, das sie führte, eben nicht so war, wie sie es sich im Geheimen wünschte. Hatte sie vielleicht doch nicht alles?
Verdirb es nicht, warnte sie sich. Wenn man zu viel erwartete, wurde man nur enttäuscht. Besser war es, weiter nach der Maxime zu leben: Genieße den Tag und das, was du hast – nimm die Dinge, wie sie gerade kommen.
Als ein Wagen auf den Parkplatz bog, wurde sie aus ihren Grübeleien gerissen.
Carolee kehrte vom Einkaufen zurück. »Der ganze Kofferraum ist voll«, verkündete sie.
»Dachte ich mir schon, und deshalb bin ich sofort herbeigelaufen.«
»Da kommt auch Justine.« Carolee deutete auf einen weiteren Wagen, der in diesem Moment vorfuhr. »Du kommst genau im rechten Augenblick«, rief sie der Schwester zu. »Schnapp dir eine Tüte und trag sie ins Haus.«
Justine, die Riemchensandalen in allen Regenbogenfarben sowie eine leuchtend pinkfarbene Sonnenbrille trug, spannte ihren Bizeps an. »Mit diesen Muckis? Kein Problem. Aber mein Gott, es ist schon wieder drückend heiß.«
»Ja, leider hat das nächtliche Gewitter kein bisschen Abkühlung gebracht. Eher im Gegenteil.« Carolee zog eine Riesenpackung Toilettenpapier aus dem Kofferraum. »Ich fühl mich wie in einer Dampfsauna.«
»Der Wind hat einen riesengroßen Ast direkt in meine Einfahrt krachen lassen«, berichtete Justine. »Stellt euch vor, ich musste erst mal die Kettensäge anschmeißen, bevor ich mit dem Wagen rausfahren konnte.«
Hope klappte die Kinnlade herunter. »Du kannst mit einer Kettensäge umgehen?«
»Nicht nur das, Schätzchen. Wenn’s sein muss, weiß ich ebenfalls eine Axt zu benutzen, um nur ein Beispiel zu nennen. In einem Männerhaushalt mit lauter Handwerkern schaut man sich eine Menge ab. Natürlich hätte ich einen meiner Jungs bitten können, aber die extra von einer Baustelle wegzulotsen … Das steht nicht dafür.«
»Solche Dinge sind mir fremd«, lachte Carolee, während sie die Vorräte ins Haus schleppten. »Was natürlich nicht zuletzt daran liegt, dass ich seit jeher in der Stadt wohne und Justine ihr halbes Leben in der Wildnis verbracht hat. Weißt du noch, wie unsere Mutter dachte, Tommy würde dich praktisch in ein fremdes Land verschleppen, als er das Grundstück hier kaufte?«
»Sie befürchtete, ich würde eine echte Hinterwäldlerin. Tommy hat sie immer damit aufgezogen, dass er hier eine Schnapsbrennerei aufmachen wolle.«
»Hat sie ihn nicht gemocht?«, fragte Hope.
»Doch, doch. Sie war
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