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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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Kind von Hitler hätte bekommen können und ob die neue Special Edition von Godzilla vs. Mothra auf Doppel- DVD ihr Geld wert war. Ungefähr um zwei Uhr morgens ging ich ins Bett. Gegen fünf Uhr weckte mich etwas.
    Ein Mann war in meinem Zimmer.
    Weil es keine andere Sitzgelegenheit gab, saß er auf der niedrigen Kommode neben der Tür. Er war schlank und muskulös, ganz in Schwarz gekleidet und hielt eine schwarze halbautomatische Pistole mit einem langen Schalldämpfer in der Hand.
    »Stehen Sie bitte auf, und stellen Sie sich neben das Bett«, sagte er. »Bewegen Sie sich nur, wenn ich Ihnen das sage. Dann passiert Ihnen nichts.« Er hatte einen leichten walisischen Akzent. Ich tat wie geheißen. »Hände an die Seite. Danke.« Er senkte die Pistole nicht. »Sie müssen mir sagen, was Sie in der Wohnung des Detektivs gefunden haben.«
    »Einen Brief von Adolf Hitler an Philip Erskine, datiert 1936, Zustand ›gut‹ bis ›sehr gut‹«, sagte ich schnell. Natürlich hätte ich lieber gelogen, aber ich hatte viel zu viel Angst.
    »Das hat keinen Nutzen für mich, fürchte ich. Ich hatte gehofft, es wäre etwas Wichtigeres. Was wissen Sie sonst noch über Philip Erskine?«
    »Nichts.«
    »Die Wahrheit, bitte.«
    »Sie haben Zroszak umgebracht.«
    »Ja.«
    »Arbeiten Sie für die Japaner? Ein Konsortium?«
    »Sie wollten mir etwas über Philip Erskine erzählen.«
    »Ich muss auf die Toilette«, sagte ich mit brechender Stimme.
    »Warten Sie bitte.«
    »Sie können sich den Geruch nicht vorstellen, wenn ich mir in die Hose mache«, sagte ich. In Wirklichkeit konnte es nicht mehr viel schlimmer werden, als es schon war: Wenn ich in Panik gerate, schwitze ich so, dass ich zu einem leichten luftübertragenen toxischen Störfall werde.
    Er sah mich eine Sekunde lang an, dann sagte er: »Wo ist die Toilette?«
    »Neben dem Wohnzimmer.«
    »Gehen Sie.«
    Er folgte mir aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer. Dort schaltete er das Licht an, und ich drehte den Kopf, um ihn mir genauer anzusehen. Ich wusste, dass es wichtig war, sein vollkommen gelassenes Gesicht genau zu betrachten, aber ich sah nur die Waffe in seiner Hand, deren Form mir aus Dutzenden von Computerspielen vertraut war, und dabei bemerkte ich die Tätowierung auf seinem Handgelenk: einen Jagddolch auf einem gerundeten Hakenkreuz.
    »Sie sind von der Thule-Gesellschaft«, flüsterte ich.
    »Beeilen Sie sich«, sagte er. Als ich ins Badezimmer ging, fügte er hinzu: »Lassen Sie die Tür offen.«
    Das tat ich. Aber mein Körper versperrte ihm die Sicht auf das Waschbecken. Mit einer Hand zog ich meinen Penis aus der Schlafanzughose, und mit der anderen griff ich nach meinem Zahnputzbecher. In den pinkelte ich, bis er fast voll war. Als ich aus dem Badezimmer kam, hielt ich den Becher hinter meinem Rücken versteckt und zeigte mit der freien Hand auf den Brief von Hitler auf meinem Computertisch. »Da ist es«, sagte ich. »Das, was ich genommen habe.« Der walisische Ariosoph streckte die Hand nach dem Brief aus, und ich schüttete ihm den Becher mit warmer Pisse ins Gesicht.
    Trimethylamin riecht in hoher Konzentration eher nach Ammoniak als nach Fisch, greift die Schleimhäute an und verätzt sie. Es war nur ein Ablenkungsmanöver, wie bei einer Bethylid-Wespe, die Gift auf den Feind spritzt, um fliehen zu können. Aber während der Ariosoph hustete und würgte und sich die Augen mit den Handballen rieb, hatte ich Zeit, nach meinen Autoschlüsseln auf dem Schreibtisch zu greifen und die Wohnung zu verlassen.
    Ich knallte die Tür hinter mir zu und hörte zwei Schüsse. Sie waren nicht lauter als das Geräusch, das ein großer Tacker macht. Ich rannte die Treppe hinunter, wich ein paar betrunkenen Clubgängern aus, die vor dem Happy Fried Chicken rauchten, und sprang in meinen Wagen. In der Nacht hatte es geregnet, und die Straßenlampen spiegelten sich als körniges goldenes Licht im Asphalt. Ein Hubschrauber summte in der Ferne.
    Zroszak konnte ebenso gut von der Whig Party ermordet worden sein, dachte ich auf dem Weg zu Grublocks Penthouse bei der Battersea Bridge, während ich die Camden Road entlangraste. Soweit ich wusste, war die Thule-Gesellschaft seit mindestens achtzig Jahren nicht mehr aktiv gewesen.
    Sie war 1918 von Rudolf von Sebottendorf gegründet worden, einem Okkultisten und Abenteurer. Der Name stammte von Thule, der Hauptstadt von Hyperborea, einem utopischen Ort in der Nähe des Nordpols – der von dem amerikanischen Kongressabgeordneten

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