Flieg, Hitler, flieg!: Roman
sprechen begann, tat Erskine so, als würde er ihn nicht hören, sodass Gittins gegen Nachmittag dazu überging, Gespräche anzufangen, die zunächst nichts mit Hemming zu tun hatten, sich aber dazu eigneten, innerhalb von zehn oder fünfzehn Minuten wie beiläufig zum Thema Hemming gelenkt zu werden. Und obwohl Gittins selbst bis zum frühen Abend Hemming nicht namentlich erwähnte, konstruierte er, geschickt wie ein Schachmeister, Wendepunkte im Gespräch, an denen es absurd gewesen wäre, wenn Erskine mit etwas anderem als der sich förmlich aufdrängenden Anspielung auf Hemming geantwortet hätte. Diese Logik ließ Erskine keine andere Wahl, als Gittins einfach zu ignorieren, wie er es schon am Morgen getan hatte. Offenbar beschäftigte Gittins die Tatsache, dass Erskine sich strikt weigerte, kundzutun, ob er Hemming und seinem Regime gewogen war oder nicht. Andererseits schien Gittins nicht geneigt, mit Erskine über seine Cimiciden zu sprechen – wie ein Mann, der nur mit seinen engsten Freunden über seine Geliebte spricht.
Als sie bei Einbruch der Nacht zum Gasthaus zurückkehrten, wartete vor der Tür eine kleine Gruppe von Jungen auf sie. Gittins begrüßte sie auf Polnisch. Sie erwiderten den Gruß nicht, aber der älteste, ein trotz seiner krummen Zähne hübscher Junge von etwa sechzehn Jahren, hielt ihnen eine zerbeulte Tabakdose hin. Erskine lächelte und schüttelte den Kopf.
»Kommen Sie schon«, sagte Gittins.
»Ich rauche keine Pfeife.«
»Ich glaube nicht, dass es sich um Tabak handelt.«
Also nahm Erskine die Dose und öffnete sie. Sie war leer bis auf fünf oder sechs kriechende schwarze Pünktchen. Gittins holte sein Vergrößerungsglas heraus und beugte sich über die Dose. » Anoplura .«
»Läuse? Ist das ein Witz?«
»Irgendjemand muss ihnen erzählt haben, dass wir hergekommen sind, um Insekten zu finden.«
Erskine schloss die Blechdose und hielt sie dem Jungen hin, aber der Junge wollte sie nicht zurücknehmen.
»Wahrscheinlich will er Geld«, sagte Gittins.
»Wenn wir ihm jetzt Geld geben, müssen wir allen etwas geben, und zwar jeden einzelnen Tag, den wir hier sind«, erwiderte Erskine. Aber dann fing er wieder den Blick des ältesten Jungen auf. Sein Gesichtsausdruck, der gleichzeitig überheblich und nervös war, und die kohlenstaubfarbenen Stoppeln an seiner Oberlippe brachten Erskine dazu, seine Worte zu überdenken. Der Junge erinnerte ihn an jemanden, für den er eine gewisse Leidenschaft empfand, jemanden, dessen Gesicht er zuletzt in London gesehen hatte, aber ihm fiel nicht ein, wer das war. »Fragen Sie ihn, wie viel er will«, sagte er.
Gittins sprach mit dem Jungen. »Er will zehn Groszy.«
»Wie viel ist das?«
»Ungefähr zwei Pence, glaube ich.«
»Ach so. Wir sollten ihnen allen zehn Groszy geben.«
»Ich habe nicht so viel Kleingeld.«
»Wofür brauchen sie überhaupt Geld? Hier gibt es doch keine Läden.«
»Ich glaube, hin und wieder kommen Hausierer vorbei.«
Erskine gab allen Jungen einen Złoty-Schein aus seiner Geldbörse. Keiner rührte sich.
»Was wollen sie denn noch?«
Gittins fragte nach. »Sie wollen uns ihre Läuse geben, aber ihre Blechdosen wollen sie danach zurückhaben.«
»Ach, verdammt. Fragen Sie den ältesten, ob er uns seine Dose für zehn Złoty verkauft.«
Gittins übersetzte, aber auf einmal redeten alle Jungen gleichzeitig. »Jetzt wollen sie uns alle ihre Blechdosen verkaufen. Der hier« – ein verdrecktes Kind von etwa sechs Jahren mit einem merkwürdig erwachsenen Gesicht wie ein Homunkulus – »behauptet steif und fest, dass er die beste Dose hat.«
»Wenn wir einem der kleineren Jungen Geld geben, wird man es ihm nur wegnehmen.«
Also drückte Erskine dem ältesten Jungen einen Zehn-Złoty-Schein in die warme Hand. Die Kinder schienen zu fluchen, aber die Diskussion war zu Ende, und einer nach dem anderen leerten die kleineren Jungen den Inhalt ihrer eigenen Behälter in die Dose, die jetzt Erskine gehörte. Dann machten sie sich aus dem Staub. Der älteste Junge drehte sich nicht einmal zu Erskine um, als er weglief. Sobald sie verschwunden waren, schüttelte Erskine alle Läuse auf den Boden und trampelte darauf herum.
»›Die darfst du töten‹«, erinnerte er sich.
»Wissen Sie was, Erskine, ich glaube fast, man hat uns reingelegt«, erwiderte Gittins. Zum ersten und zum letzten Mal auf dieser Reise lachten sie gemeinsam. Erskine fragte sich, ob einer der Jungen das Engelskind war. Vielleicht der
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