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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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ganzen Leben noch niemanden um etwas gebeten, doch jetzt wäre er wohl so weit, dachte er.
    Erskine blickte die Straße hinauf und hinunter, dann sah er wieder auf Sinner hinab, schien zu einem Entschluss zu kommen und sagte in härterem Tonfall: »Andererseits glaube ich, mein Vater wäre sehr aufgebracht, wenn er herausfände, dass er für die Unterkunft und Verpflegung eines Herumtreibers zahlt. Tatsächlich bin ich mir sehr sicher, dass er das wäre.«
    Sinner kam endlich mühsam auf die Füße. Regen tropfte von seiner Nasenspitze; sein Schwanz war wie ein totes Mäuschen. »Komm schon, Freundchen. Lassen wir die Spielchen. Ich weiß, was du willst.«
    »Wirklich?«, sagte Erskine.
    »Ich weiß noch, was du letztes Mal gesagt hast. Du kannst deine Experimente machen, ich nehme deine fünfzig Pfund, und wir sind alle quitt: du, ich, dein Papi und deine Ohrwürmer.«
    »Ich bin sehr erfreut, dass Ihnen mein Angebot erinnerlich ist, Mr.   Roach, doch ich fürchte, dass die Bedingungen seit heute andere sind. Ich denke, ich werde deutlich mehr von Ihnen verlangen, wissen Sie? Aber ich werde im Gegenzug auch weit mehr anbieten. Sie bekommen Ihr eigenes Zimmer, solange Sie es wünschen. Ich gebe Ihnen saubere Bettwäsche und saubere Kleider. Ich gebe Ihnen so viele Würstchen, wie Sie essen können, meinetwegen auch koschere. Ich gebe Ihnen ein großzügiges Taschengeld. Ich werde Ihnen sogar erlauben, sich weiterhin mit Alkohol zu zerstören, weil ich weiß, dass Sie andernfalls innerhalb von einer Stunde weglaufen würden. Ich gebe Ihnen fast alles, was Sie wollen, und mit meiner Hilfe werden Sie vielleicht eines Tages kräftig genug sein, um den Faustkampf wieder aufzunehmen. Aber als Gegenleistung möchte ich Sie nicht nur hin und wieder untersuchen. Ich möchte uneingeschränkte Besitzrechte.«
    Erskines Stimme war an dieser Stelle nicht ganz so selbstbewusst wie seine Worte.
    »Ich möchte Ihren Körper kaufen, wie man einen Hund oder einen Sessel kauft. Ich werde Ihre Freiheit nicht in drastischer Weise einschränken, aber bis zu Ihrem Tod werden Sie sich jeglichen Versuchen und Beobachtungen unterwerfen, die ich im Dienste meiner Theorien anstellen möchte. Und danach erhalte ich alle Rechte an Ihren sterblichen Überresten.«
    »Verpiss dich, du Arsch von einem …« Sinner fand nicht die richtigen Worte.
    »Andernfalls lasse ich Sie mit Vergnügen hier im Regen zurück. Sie haben die Wahl. Sie können selbst entscheiden, ob Sie sich Ihr Leben zu einem fairen Preis zurückkaufen wollen.«
    Sinner dachte an Connelly und die Polizei und auch wieder an die Würstchen. Er konnte einfach eine Nacht oder zwei bleiben und sich dann mit etwas Geld von Erskine aus dem Staub machen. Das wäre Befriedigung genug. Er mochte nicht daran denken, wie wenige Alternativen es für ihn gab und wie dankbar er eigentlich für das Erscheinen dieses kinnlosen Spielzeugsoldaten war. »Also gut«, sagte er.
    »Hervorragend. Wir besiegeln es mit einem Handschlag.«
    Sinner schüttelte Erskines Hand so fest er konnte. Erskine führte den zitternden und blutenden Sinner zu dem Taxi, das in der Bread Street parkte. Sobald Sinner sich auf die Rückbank gesetzt hatte, schlief er ein.
    Später wurde er von einem bärtigen Arzt geweckt, der ihn untersuchen wollte. Er war in Erskines Wohnung, in einem Bett, das nach den Liegen in St.   Panteleimon’s erstaunlich weich und geräumig wirkte. Seine Schulter schmerzte.
    »Mangelernährung natürlich und ein paar unangenehme Infektionen, aber auch schwerer Alkoholmissbrauch«, sagte der Arzt, nachdem er Sinners Schnitte gereinigt hatte. »Wie lange, sagten Sie, wird er schon vermisst?«
    Der Arzt schien zu glauben, dass Sinner ein Stallbursche war, der von einem Landsitz namens Claramore nach London durchgebrannt war. »Erst seit etwa zwei Wochen«, sagte Erskine, der auf einem Stuhl in der Ecke des kleinen Schlafzimmers gesessen und die Untersuchung von Anfang bis Ende beobachtet hatte.
    »Nun, er muss schon längere Zeit getrunken haben, ohne dass jemand von Ihnen es bemerkt hätte. Er ist es nicht wert, würde ich sagen.«
    »Ich habe seinem Vater versprochen, dass ich ihn zurückbringe«, sagte Erskine und bezahlte den Arzt. Der gab ihm einige Päckchen mit einem Pulver, das er zweimal am Tag in einem Becher mit heißem Wasser verrühren und Sinner geben sollte. Nicht lange nachdem der Arzt gegangen war, kam die Vermieterin herauf, der Erskine offenbar ebenfalls die Geschichte mit dem

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