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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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Wagner oder Chamberlain? Natürlich nicht. Es ist ganz offensichtlich, dass er nichts gelesen hat als eine Handvoll billiger Pamphlete, deren Herausgeber er später ins Gefängnis gesteckt hat.«
    »Nietzsche ist unentbehrlich«, sagte Amadeo. »Er hat uns gezeigt, dass das Christentum nur ein Geschwür des Judentums ist.«
    »Was für ein Schwachsinn«, warf Bruiseland ein.
    Als Aslet an seiner dampfenden Suppentasse vorbei nach dem Pfeffer griff, sprang ein Knopf von seinem Hemd und fiel in die Suppe. Beschämt griff er hinein, zog aber blitzschnell die Finger wieder heraus und stöhnte vor Schmerz. »Das ist ja wie siedendes Öl!«
    »Oh, das tut mir leid, Sir«, sagte Battle. »Wenn Sie erlauben.« Seelenruhig tauchte er seine Hand in die grünliche Flüssigkeit und fischte nach dem Knopf. Als er ihn gefunden hatte, ließ er ihn in eine Serviette fallen und nahm die Suppentasse an sich. Seine Hand war krebsrot geworden, ohne dass er mit der Wimper gezuckt hätte. »Ich beseitige das und bringe Ihnen eine neue Suppe, Sir.«
    »Er ist ein Hexenmeister!«, rief Berthold Mowinckel schrill aus.
    »Ach nein, beunruhigen Sie sich nicht«, sagte Erskines Mutter. »So ist Battle eben.«
    Battle hatte eine seltene angeborene neuropathische Störung, die als Analgie bezeichnet wurde und die sein Schmerzempfinden stark verminderte. Als Kind hatte er sich unabsichtlich die Zungenspitze abgebissen, und deshalb sprach er immer noch ein wenig undeutlich. In Claramore war er von besonderem Nutzen, weil er praktisch immun gegen kräftige elektrische Schläge und den gelegentlichen Ausstoß von überhitztem Dampf war.
    »Glaubst du wirklich, die Rassenpflege sei nicht wichtig, Morton?«, erkundigte sich Erskine.
    »Natürlich ist sie wichtig«, sagte Bruiseland. »Welcher Schafrasse, welcher Pferderasse, welcher Hühnerrasse könnte man eine so wahl- und zügellose Paarung erlauben, wie sie dem modernen Menschen zugemutet wird, ohne dass es mit ihr den Bach hinunterginge?«
    »Morton, hast du von der Familie Kerangal in der Bretagne gehört?«, fragte Erskine. »Sie stammt aus Saint Brieue. Man hat festgestellt, dass sie zwischen 1830 und 1890 sieben Mörder und neun Prostituierte hervorgebracht hat, und der überwiegende Rest der Nachkommen war blind oder taub.«
    »Ja, ich habe von ihnen gehört, und ich erinnere mich, dass sie in dem betreffenden Zeitraum auch einen Maler, einen Dichter, einen Architekten, eine Schauspielerin und einen Musiker aufzuweisen haben.«
    »Aber Galton sagt –«
    »Was hat dieser Bursche noch gleich über die Königliche Familie geschrieben?«, unterbrach Bruiseland.
    »Er hat bewiesen, dass sie nicht gesünder sind als alle anderen, obgleich Millionen von Menschen jeden Sonntag für sie beten, was – ähm – ein bisschen merkwürdig ist«, sagte Erskine.
    »Genau. Der Mann ist ein Idiot«, kommentierte Bruiseland.
    »So schlimm wie Nietzsche?«, fragte Evelyn.
    »So schlimm wie Nietzsche und Wagner und Gobineau und Chamberlain und Ibsen und Rodin und Verlaine und Mallarmé und der ganze Rest.« Bruiseland hatte diese Namensliste bei seiner Frau aufgeschnappt. »Alles Krüppel und Clowns.«
    »Wagner war ein Titan«, sagte Kasimir Mowinckel.
    »Halt die Schnauze, Kasimir«, sagte Berthold auf Deutsch und fügte auf Englisch hinzu: »Aber ja, er war ein Titan.«
    »Pitt-Rivers hat gesagt: ›Nur die Juden werden uns von den Juden erlösen‹«, warf Erskine ein. »Damit hat er gemeint, dass die Juden die Reinheit ihrer Rasse besser bewahrt haben als jedes andere Volk der Erde. Wir sollten von ihnen lernen.«
    »Ach du meine Güte, was soll dieses Gerede über Reinheit?«, sagte Morton. »Die Briten sind Mischlinge – teilweise nordisch, teilweise keltisch, teilweise römisch, teilweise normannisch. Das weiß doch jeder. Selbst Chamberlain hat gesagt, wir seien nicht so gut wie die ›reinen Arier‹ aus dem frostigen Norden.«
    In diesem Augenblick kam Millicent Bruiseland in den Raum gehüpft. Sie hatte so viele Sommersprossen, dass Erskine sich fragte, ob sie anderen Kindern welche gestohlen habe.
    »Du sollst doch dein Abendessen im Kinderzimmer bekommen, Millicent«, sagte Erskines Mutter. »Hast du überhaupt schon deinen Tee genommen? Wo ist dein Kindermädchen?«
    »Ich bin zu alt für das Kinderzimmer, und außerdem muss ich umgehend mit Ihrem Sohn sprechen.«
    Die Unterhaltung wurde wieder aufgenommen, als Millicent zu Erskine ging und flüsterte: »Mr.   Erskine, ich habe schockierende

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