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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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dem, was Roosevelt macht, nicht ganz unähnlich«, sagte Morton in dem Versuch, sein Thema wieder aufzugreifen. »Aber sehr viel strenger.«
    »Morton, mir scheint, dass Sie lediglich das Parlament durch etwas noch Schlimmeres ersetzen wollen«, sagte Bruiseland. Obwohl er gleich links von Morton saß, war es das erste Mal an jenem Abend, dass er das Wort an den jüngeren Mann richtete. »Welchen Sinn hat das Parlament je gehabt, wenn nicht, die Regierung am Regieren zu hindern? Stück für Stück hat es die Monarchie zerschlagen, es hat die Kirche zerschlagen, und schließlich hat es sogar den Landadel zerschlagen. Und nachdem das Parlament alles zerschlagen hat, was für Ordnung im Land sorgen könnte, liefert es uns auf Gedeih und Verderb den Juden aus.«
    »Hören Sie mal, Bruiseland!«, protestierte Aslet.
    Aber Bruiseland ignorierte ihn. »Eine ›nationale Körperschaft‹ wäre um keinen Deut besser. Was wir brauchen, ist ein König, der keine Angst davor hat, zu tun, was getan werden muss.«
    »Beim Faschismus geht es nicht darum, so zu tun, als lebten wir im mittelalterlichen Albion«, sagte Morton.
    »Wollen Sie mir etwa erzählen, worum es beim Faschismus geht, junger Mann?«, erwiderte Bruiseland. »Beim Faschismus geht es nicht um Körperschaften, es geht nicht um Wissenschaft, und es geht auch nicht um Britannien. Es ist wesentlich weniger modisch als das. Es geht um die altehrwürdigen englischen Traditionen. Es geht um die Krone und die Scholle. Es geht um adliges Blut und die Treue des arbeitenden Mannes. Es geht um Georg, der den Drachen erschlägt.«
    »Faschismus ist ein Krieg so alt wie die Zeit«, warf Berthold Mowinckel ein.
    »Das ist alles Blödsinn«, sagte Amadeo laut. »Sie sind alle Reaktionäre. Sehen Sie in Italien irgendwo die Krone oder die Scholle? Gibt es in Deutschland einen Krieg, der so alt ist wie die Zeit? Nein. Der Faschismus ist modern! Beim Faschismus geht es um den Triumph der Maschine. Es geht um Kolben und Propeller. Alles andere ist Impotenz. Sie stimmen mir doch sicher zu, Mr.   Erskine, Sie, der Sie dieses wunderbare Haus von Grund auf erneuert haben? Sagen Sie mir, wie lange wir noch warten müssen, bis auf dem Fundament von Buckingham Palace ein Wolkenkratzer mit der Kuppel von St.   Paul’s als Spitze gebaut wird. Wie lange müssen wir noch warten, bis wir Panzer so groß wie Scheunen nach Moskau schicken können?«
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, Signor Amadeo, aber ich glaube, dass diese Art Unsinn ein großer Teil des Problems ist«, erwiderte Aslet, als das Wild serviert wurde. »Eisenbahnen, Automobile, Telefone, Kinos – ›Alle müssen lesen lernen, alle müssen einkaufen können!‹ –, es ist einfach zu viel. Die breite Masse der Menschheit ist müde und erschöpft. Das Leben ist viel zu hektisch geworden, als dass irgendjemand es wirklich genießen könnte. Überreizung der Sinne bedeutet Massendegeneration.«
    »Genau«, sagte Bruiseland und warf einen weiteren düsteren Blick auf Evelyn.
    »Wer Maschinen benutzt, bekommt ein Maschinenherz«, sagte Kasimir Mowinckel. »Der Westen von heute ist eine Turbine, die mit Blut gefüllt ist.«
    Ein lauter Knall ertönte, und alle fuhren zusammen. Erschrocken sah Erskine auf seinen Vater. William Erskines Gesicht war weiß, und ein dunkelroter Fleck breitete sich auf seiner Brust aus.
    Er ließ die Gabel fallen.
    Nur Amadeo war unbeirrt. »Es gibt nicht genügend Explosionen in diesem Land«, sagte er und hielt eine silberne Taschenuhr in die Höhe. »Wie Sie sehen, zeigt diese Uhr nicht die Zeit an, denn statt eines Uhrwerks ist ein winziger Pistolenmechanismus eingebaut. Kaliber zwei Millimeter. Sehr beliebt bei den Nazis, wie man hört, und sehr nützlich, wenn ich eine Unterhaltung langweilig oder rückschrittlich finde.«
    Es wurde lange geschwiegen. Battle half Erskines Vater, sich den verschütteten Wein vom Hemd zu wischen, und machte sich dann daran, mit zwei Nussknackern aus Messing die winzige Kugel aus der Wand zu holen.
    Schließlich sagte Erskines Mutter: »Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass man sich jetzt am Telefon die Zeit ansagen lassen kann. Die Post scheint sehr stolz darauf zu sein, aber ich muss sagen, dass wir das in diesem Haus schon seit Jahren können.«
    »Ach, wirklich?«, sagte Aslet.
    Der Rest des Dinners war kein Erfolg, erst recht nicht, als sich die Frauen zurückzogen und die Männer schweigend Portwein tranken und Zigarren rauchten. Erskine war erleichtert, als

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