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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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können.

    Â»Uff.« Bohne taumelte rückwärts und klirrte zu Boden.
Hellrotes Blut schoss aus seiner Nase.

    Â»Leg dich nicht mit mir an, Pissgesicht! Hast du gehört? Leg
dich nie wieder mit mir an!«, keifte Dicke triumphierend.

    Bohnes Blut klebte an ihrem Knautschgesicht. Die übrigen
Jugendlichen wichen rasch vor dem Mädchen zurück. Sogar der Riese machte ihr
respektvoll Platz.

    Â»Hab mir kein neues Rezept besorgt, als die Pillen alle waren«,
führte Engel unser Gespräch ungerührt weiter. »Hagen hatte mir zwar den Termin
beim Arzt gemacht, aber ich bin nicht hin.«

    Sie beobachtete das Geschehen auf der anderen Straßenseite
so unbeteiligt, als sähe sie einen Actionfilm, der nebenbei im Fernsehen lief.
Bohne wurde von seinen Kumpeln auf die Beine gezogen, die Hände ins Gesicht
gepresst. Blut quoll zwischen seinen Finger hervor und tropfte zu Boden.

    Der Schmuckfreund taumelte davon, seine Gemüsegang folgte
brav.

    Verdammt! Das war die Gelegenheit. Die waren mit sich
selbst beschäftigt, niemand würde auf mich achten. Ich könnte ihnen mühelos
folgen, herausfinden, in welchem Loch sie sich verkrochen, und dann Staschek
ranpfeifen. Dann kriegten sie die Quittung für die Prügelattacke auf Danner.

    Â»Hat auch gleich geklappt«, sagte Engel.

    Ich blieb neben ihr stehen.

    Mist.

    Wenn ich Engel jetzt einfach sitzen ließ, bekam ich sie
womöglich nie wieder zum Reden.

    Ich plumpste erneut neben die Schwangere auf die Metallbank.
Sollte unser Superbulle eben selbst suchen.

    Â»Du wolltest ein Kind?«, hakte ich nach, während ich
rechts neben meiner Hüfte in mein Handy tickerte.

    Schläger am Bahnhof
Südring, simste ich Staschek.

    Nachdem ich die Textnachricht abgeschickt hatte, ließ ich
mein Telefon unauffällig wieder verschwinden und schenkte Engel meine volle
Aufmerksamkeit.

    Ich war davon ausgegangen, dass Engel zu der Sorte Teenager
zählte, die besoffen vergaßen, dass die Pille nicht wirkte, wenn man sie wieder
auskotzte.

    Â»Wieso ein Kind?«

    Ohne Kohle, ohne Job, sogar ohne den passenden Vater
dazu? Moment, den einen Punkt hatte ich noch gar nicht überprüft: »Und wer ist
eigentlich der Vater?«

    Mit der Bierflasche, die aus ihrem Jackenärmel ragte,
winkte das Mädchen ab: »Kommen mehrere infrage.«

    Das wiederum passte beinahe zu gut in mein Bild.

    Ich rollte mich fester in meine Jacke. Mittlerweile war
es fast dunkel.

    Â»Aber wieso wolltest du schwanger werden?«

    Engel rauchte schweigend.

    Â»Was glotzt du so? Soll ich dir auch die Nase brechen?«,
blaffte Dicke ein Stück entfernt Glatze an.

    Â»Ich wollte einfach, dass jemand zu mir gehört«, sagte
Engel leise.

    Ihre Worte trafen mich unvorbereitet wie eine Faust in
den Magen. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Schnell stürzte
ich meinen Tequila hinunter.

    Das war ein Gedanke, den ich noch nie zu denken gewagt
hatte. Und Engel hatte nicht nur gedacht, sie hatte gleich Nägel mit Köpfen
gemacht.

    Meine Augen brannten. Ich wollte mir nicht durchs Gesicht
wischen, hoffte, dass sich kein Tropfen aus meinen Augenwinkeln löste und über
mein Gesicht kullerte.

    Ich wischte doch.

    Engel bemerkte es.

    Â»Verstehe«, krächzte ich.

    Engel tickte ihre Bierflasche gegen mein Plastikglas,
bevor sie trank.

    Â 

19.

    Die Kälte brannte schmerzhaft in meinen
Händen und Oberschenkeln. Außerdem drückte mir ein dumpfer Schmerz in den
Rücken, rechts unten, irgendwo zwischen Rippen und Kreuzbein. Meine Füße spürte
ich nicht.

    Stöhnend wollte ich mich auf die Seite drehen, doch es
ging nicht, mein Knie klebte am Boden fest. Ein feines Stechen bohrte sich wie
eine Nadel in meine Stirn. Der kalte, harte Boden unter mir schaukelte.

    Meine Füße spürte ich noch immer nicht. Tatsächlich
konnte ich nicht einmal sagen, ob ich überhaupt noch Füße hatte.

    Erschrocken setzte ich mich auf.

    Meine oberste Jeansschicht riss mit einem Ratschen. Ich
hatte zwischen mehreren umgekippten Bierflaschen in einer Pfütze gelegen und
meine Hose war am Betonboden der Bauruine festgefroren.

    Eine weitere Flasche zog ich unter meinem Hintern hervor.
Tequila. Leer.

    Mist.

    Und was war mit meinen Füßen?

    Mein Herz schlug schneller, brachte meinen Kreislauf in
Sekundenbruchteilen auf Touren. Ich zerrte die Turnschuhe von meinen

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