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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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vor
Borze-Filzhut auf den Schreibtisch. Vor Schreck schwappte dem Krötenretter der
Kaffee über die Finger und tropfte auch auf den zerknitterten und fleckigen
Zettel, bei dem es sich offenbar um meine Vermisstenmeldung handelte.

    Â»Das haben Sie richtig erkannt«, schnauzte ich den Mann an.
»Ich bin volljährig. Deshalb können Sie mal anfangen, mich zu siezen. Es geht
niemanden was an, wo ich bin! Kapiert?«

    Wie zwei hellblaue Murmeln kullerten die erschrockenen
Augen durch Borze-Filzhuts eckiges Gesicht. »Aber deine – Ihre Familie weiß
nicht, wo Sie stecken. Sie suchen nach Ihnen, machen sich Sorgen …«

    Â»Und das ist gut so!«

    Das fehlte mir noch: dass meine Eltern mich nach all der
Zeit doch noch fanden, nur weil dieser Pfadfinder glückliche Familien
zusammenführen wollte.

    Mein Vater würde den Sozialarbeiter zum ›Hilfswilligen
der Woche‹ ernennen, bevor er mich bereuen ließ, dass ich ihn seit Monaten zum
Gespött seiner Kollegen machte.

    Lebhaft konnte ich mir vorstellen, wie der Herr Oberstaatsanwalt
versuchte, mein Verschwinden zu vertuschen:

    Â»Und? Wie macht
sich Ihr süßes Töchterchen im Jurastudium, Herr Oberstaatsanwalt?«, fragt einer
seiner Lieblingsfeinde – ein Pflichtverteidiger.

    Die kräftigen
Kiefermuskeln meines Vaters spannen sich, seine Zähne knirschen, während er das
Kinn hin- und herschiebt. Sein Nacken wölbt sich wie bei einem Stier vor einem
flatternden Tuch und sein Gesicht läuft dunkelrot an.

    Â»Bestens, bestens.
Das zweite Semester beginnt bald«, presst er hervor. »Jura liegt ihr einfach im
Blut.«

    Â»Was wollen Sie dann eigentlich hier?«, holte der Krötenretter
meine Gedanken zurück in das Sozialarbeiterbüro. »Sozialhilfe oder Wohngeld
gibt’s bei den Kollegen von der Grundsicherung. Streetworker helfen
jugendlichen Obdachlosen, wieder in Kontakt mit ihren Eltern zu treten, den
Schulabschluss zu machen oder eine Ausbildung zu beginnen. Oder wie bei Nina
einen Platz in einem Mutter-Kind-Haus zu finden. Für Sie bin ich nicht
zuständig.«

    Richtig, ich war hier, um was rauszufinden.

    Â»Sie könnten mir ein paar Fragen beantworten«, informierte
ich ihn betont ruhig, während mein Puls raste.

    Â»Was für Fragen?«

    Â»Was wissen Sie über Bohne?«

    Schulterzucken. »Nichts. Wieso?« Borze-Filzhut strich
sich eine spröde Locke hinters Ohr. »Sie haben doch bestimmt mal mit Engel über
ihn geredet.«

    Â»Ich hab ihn nie betreut.«

    Â»Das heißt nicht, dass Sie nichts über ihn wissen!« Mein
Puls verlangsamte sich ein wenig.

    Â»Es gibt Datenschutzvorschriften, an die ich mich halten
muss. Ich kann nicht mit jedem, der hier reinschneit, über meine Fälle
quatschen.«

    Â»Ich denke, Sie haben Bohne nicht betreut. Also gibt es
keine Daten, die Sie schützen müssen.«

    Der Krötenretter blinzelte irritiert.

    Â»Na schön, andere Frage: Bieten Sie allen schwangeren
Obdachlosen an, bei Ihnen zu wohnen? Wissen Ihre Vorgesetzten eigentlich von
diesem selbstlosen und aufopfernden Einsatz?«

    Die Augen des Streetworkers flitzten gehetzt durch den
Raum.

    Â»Nur übergangsweise natürlich«, erklärte er beherrscht.
»Nina steckt in Schwierigkeiten. Kevin Bonetzki – Ihr Freund Bohne – ist wohl
der Vater ihres Kind. Und der freut sich nicht gerade darüber, dass er Papa
wird.«

    Â»Was?«, schnappte ich erstaunt. Jetzt hatte der Krötenretter
mich überrumpelt. »Engel ist von Bohne schwanger?«

    Â»Direkt gesagt hat sie es nicht. Aber da sie schwanger
war, als sie mit ihm Schluss gemacht hat, liegt die Vermutung nahe«, bestätigte
der Krötenretter. »Dabei hatten die beiden vorher schon Krach. Ninas Vater hat
Kevin angezeigt. Sie war zum Zeitpunkt der Beziehung ja erst vierzehn und er
immerhin schon einundzwanzig.«

    Das wurde ja immer besser. Der Schmuckfetischist hatte
sich nicht nur durch eine Körperverletzung, sondern auch durch Sex mit einer
Minderjährigen Freunde gemacht. Das klang nicht nach einer Bewährungsstrafe.

    Â»Das Verfahren läuft wohl noch. Als bekannt wurde, dass
Nina schwanger ist, hat Bohne sie verfolgt, zusammengeschlagen, bedroht. Ich
habe versucht, sie zu überreden, ins Frauenhaus zu gehen, aber sie hatte sich
mit diesem Wohnungslosen angefreundet und der hat sie erst mal

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