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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Füßen. Mit
steif gefrorenen Fingern war das nicht einfach. Dann die Sockenschichten. Meine
Füße waren noch da. Aber sie schimmerten leicht violett. Mit beiden Händen fing
ich an, meine Fußballen zu rubbeln, zu kneten. Ich spürte nichts.

    Heiße Panik pochte durch meinen Körper.

    Was war das? Erfrierungen? Mussten mir jetzt die Zehen
amputiert werden?

    Mit Fäusten schlug ich auf meine Füße ein, die davon rote
Flecken bekamen. Endlich fühlte ich ein Kribbeln. Ganz leise, aber ich fühlte.

    Gott sei Dank!

    Schon wieder schossen mir Tränen in die Augen, diesmal
vor Erleichterung. Wann war ich eigentlich so ein Weichei geworden? Das
Kribbeln wurde stärker, spürbarer, selten hatte ich mich so gefreut, etwas zu
fühlen! Es war ja nicht so, dass ich neuerdings besonders an meinem Leben hing,
aber ich wollte es irgendwann zumindest in einem Stück beenden.

    Aus dem Kribbeln wurde ein Brennen, das sich zu einem
kochend heißen Schmerz steigerte.

    Am liebsten wollte ich aufspringen und mit einen jodelnden
Kriegstanz durch die Pennerbude hüpfen, doch mit einem Blick auf das Sofa
verkniff ich es mir.

    Engel lag zusammengerollt auf der Seite, von der Decke,
ihrer Jacke, Schal und Handschuhen beinahe vollständig verhüllt. Ein leises
Schnarchen verriet, dass in dem dicken Stoffhaufen jemand atmete.

    Ich knetete meine auftauenden Füße kräftig weiter.

    Hatten wir zu zweit die Flasche Tequila geleert?

    Neben einer Bierpulle entdeckte ich mein Handy. Es musste
mir aus der Tasche gerutscht sein. Ein kleiner, gelber Briefumschlag im Display
wies auf ungelesene Nachrichten hin.

    Sieben neue SMS, um genau zu sein. Von Staschek.

    22.11 Uhr: Schicke
Streife 22.11 Uhr: Wo genau sollen die
Schläger sein? 22.16 Uhr: Lila, antworten! 22.30 Uhr: Drei Streifen melden
nichts Verdächtiges. 22.32 Uhr: Wo bist du? 22.36 Uhr: Lila, melde dich! 22.50 Uhr: Streifen abgezogen, keine
Festnahmen. Wo bist du?

    Ich schaltete das Handy aus und beschloss, mich
wärmer anzuziehen, bevor ich weiterermittelte.

    Â 
    Die Wohnung war leer. Klar, es war kurz vor halb
elf, Danner arbeitete im Kindergarten. Ich kickte meine Stiefel neben seine
Turnschuhe unter die Garderobe, schlurfte hinüber ins Badezimmer, pellte mich
aus meinen zerrissenen Klamotten und kletterte in die Wanne.

    Im Gegensatz zu meiner sonst blassen, jetzt im Winter
beinahe leichenbleichen Haut leuchteten meine Füße, meine Hände und – wie mir
ein Blick in den Spiegel verriet – auch meine Nase feuerrot.

    Ich stellte die Dusche vorsichtshalber lauwarm, doch als
das Wasser meine roten Füße traf, schien es brühend heiß. Ich wusch mich also
beinahe kalt. Immerhin ließ dadurch mein Schwindel nach.

    Nachdem ich einigermaßen aufgetaut war, föhnte ich die
schulterlange lila Mähne auf meiner rechten Kopfhälfte, spülte Haarstoppeln aus
dem Waschbecken, betrachtete prüfend meine Frisur.

    Dann erst mein Gesicht.

    Erstaunt hielt ich inne: Das war nicht ich.

    Oder doch?

    Es war mein altes Ich, das mich anstarrte. Fremd, obwohl
ich die letzten zehn Jahre so ähnlich ausgesehen hatte. Doch tatsächlich war
das Vergangenheit. Die Vergangenheit, in der ich die lila Punkfrisur noch
zwecks Rebellion und nicht aus ermittlungstechnischen Gründen getragen hatte.

    Oder war es die Zukunft, die ich im Spiegel sah?

    Ich bildete mir zwar ein, ein Zuhause, Freunde und einen
Job zu haben, doch ich hatte bereits erfahren, wie schnell diese schillernd
schöne Seifenblase einfach zerplatzen konnte. Ein Sekundenbruchteil reichte, um
mein ganzes Leben in winzige schmierige Tropfen zu sprengen.

    Diese Wohnung war nicht meine. Und auch meine Beziehung
war eigentlich keine. Ganz abgesehen vom Altersunterschied waren weder Danner
noch ich selbst für eine dauerhafte Bindung geeignet. Es war nur eine Frage der
Zeit, bis die nächste Marie oder Klara auftauchte und meine Seifenblase mit
einem Fingerschnipsen in Luft auflöste. Früher oder später würde ich genau da
ankommen, wo ich mich im Spiegel bereits sah.

    Energisch schüttelte ich die Gedanken aus meinem Kopf.

    Konzentration jetzt! Es war nicht mein Auftrag, zur deprimierten
Dauerstrammen zu mutieren. Ich sollte Fliege und Bohne finden.

    Aus dem Kleiderschrank wühlte ich frische Klamotten. Als
ich alles übereinander angezogen hatte, ließ sich meine Jacke beim besten
Willen nicht mehr

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