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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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»Jedenfalls behalte ich das Baby«, stellte sie
trotzig klar.

    Offenbar ahnte Engel, dass Dicke das nicht gefallen würde,
denn sie war aufgestanden und hatte ein paar Schritte Sicherheitsabstand
genommen.

    Â»Letzte Woche wollteste das Bratz noch inne Klappe machen«,
blaffte die Dicke wütend.

    Â»Leck mich, Dicke!«

    Â»Ey, so sprichste nich mit mir!« Dicke fuhr hoch und
fletschte die Zähne.

    Doch da hatte Engel sich schon umgedreht und war gegangen.

    Â»Bleib ma locker!« Glatze stellte sich Dicke in den Weg.
Obwohl die besenstieldünne Kahlköpfige die Dicke niemals hätte aufhalten
können, ließ sich die Angriffslustige von ihr bremsen.

    Ich nutzte die Gelegenheit und rannte hinter Engel her.
Die Hochschwangere ließ sich auf eine der eiskalten Edelstahlbänke am
Busbahnhof plumpsen. Die restlichen Jugendlichen waren in Richtung
Bahnhofseingang weitergezogen. Engel ploppte die nächste Bierflasche auf.

    Mit etwas Abstand setzte ich mich neben sie. Sofort
durchdrang die Kälte der Metallrippen den Stoff meiner Jeans.

    Â»Wie lange haste noch?« Ich deutete mit einem Blick auf
ihren Bauch.

    Nach kurzem Zögern antwortete Engel: »Sechs Wochen.«

    Â»Dann musste dich langsam entscheiden, hm?«, bemerkte
ich.

    Ohne Vorwarnung donnerte Engel die noch volle Bierflasche
auf den Asphalt. Das Glas zerplatzte klirrend und die Splitter spritzten in
alle Richtungen.

    Â»Die müssen da um halb elf drin sein!«, schimpfte sie empört.
»Und Bier und Zigaretten sind verboten. Das ist der reinste Knast!«

    Ach.

    Â»Hagen hat sich totgelacht, der Wichser! Der weiß genau,
dass ich das nicht aushalte! Da hab ich kein Bock drauf! Mein Leben gefällt
mir, wie’s is.«

    Ich runzelte die Stirn. »Willste denn wirklich mit ’nem
Baby auf der Straße leben?« Meiner Meinung nach kein vollständig ausgereifter
Plan.

    Engel zuckte die Schultern: »Kann ich mir nicht vorstellen.«

    Immerhin.

    Â»Mit ’nem Kind auf der Baustelle übernachten kann ich mir
auch nicht vorstellen«, stimmte ich ihr zu.

    Â»Nee«, schüttelte Engel ihre schwarz-rote Mähne. »Ich
meine, ich kann mir nicht vorstellen, ein Kind zu haben. Das ist noch so weit
weg.«

    Oi. Sie hatte weniger begriffen, als ich gehofft hatte.

    Wie aufs Stichwort schnippte sie sich die nächste Zigarette
aus der Packung.

    Mann! Aufwachen, Engelchen! Spätestens, wenn man einen
Bauch wie Molle vor sich herschob, sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden,
dass da bald ein Baby rauskommen könnte. Denn, dass es ein tanzender Alien
wurde, der in sein Raumschiff hüpfte und verschwand, damit sie ungestört
weiterleben konnte, war doch eher unwahrscheinlich.

    Â»Du wolltest nicht schwanger werden, hm?!«, stellte ich
fest.

    Engel zog so stark an ihrer Zigarette, dass ihre Hamsterbacken
sich hohl nach innen sogen. »Doch, klar.«

    Erstaunt sah ich sie an.

    Engel hatte offensichtlich mit meiner Verwunderung gerechnet.
Sie pustete eine langsam aufsteigende Wolke aus Rauch und Atem in das klar-kalte
Rosa des Sonnenuntergangs.

    Im gleichen Augenblick kam Bewegung in die versammelten
Teenager. Gegröle wurde laut. Vorbeigehende Passanten machten automatisch einen
Bogen um die Horde.

    Ich richtete mich auf.

    Der große, dünne Junge, der Dicke da gerade im Würgegriff
hatte, trug Dutzende klirrender Ketten um den Hals. Weil Dickes Kopf unter
seinem Arm klemmte, stand sie gebückt. Ihre sowieso zu enge Hüfthose war
runtergerutscht und gab den Blick auf ihre wackelnden Arschbacken frei, die
ihren dünnen String verschluckten.

    Das Kindergesicht des Kettenträgers erkannte ich sofort:
Bohne, der Schlägerboss!

    Ich war aufgestanden, ohne es zu merken.

    Â»Fick dich, du Hirn!«, brüllte Dicke unter Bohnes Arm.
Sie klang heiser – das lag aber wohl eher an ihrer Wut als an seinem
Würgegriff.

    Â»Ich fick lieber dich!«, mischte sich der Riese mit dem
Ziegenbart ein. Er stellte sich dicht hinter Dickes wackelnden Po und stieß
sein Becken in einer eindeutigen Bewegung gegen ihren Hintern.

    Im gleichen Augenblick schrie Bohne auf und ließ das
Mädchen frei: »Aua! Die Schlampe hat mich gebissen!«

    Ohne eine Sekunde zu zögern, sprang die Dicke hoch und rammte
dem Kettenträger ihren breiten Schädel ins Gesicht. Ich bildete mir ein, den
dumpfen Aufprall und das Knacken hören zu

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