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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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zuknöpfen. Ich kramte in den Taschen. Mein Handy, ein
Kugelschreiber, mehrere Tampons, ein bisschen Kleingeld, Zigaretten, ein Plastikschnapsglas.

    Die Visitenkarte war weg.

    Egal. Ich schnappte mir eine von Danners schwarzen
Wollmützen von der Garderobe, zog sie über meine halbe lila Mähne und huschte
aus der Tür.

    Â 

20.

    Als ich eine Viertelstunde später die
nächste Tür öffnete, wäre ich um ein Haar verblüfft zurückgeprallt. In jedem
Fall zögerte ich einen Augenblick zu lange, um noch lässig zu wirken.

    Was sollte das?

    Oje, hoffentlich hatte ich das nicht laut gesagt!

    Ich stand im vierten Stock der beeindruckenden Festung
des Bochumer Rathauses. In der Tür zum Büro von Dipl.-Päd. Hagen Borze-Filzhut
– besser bekannt als der Krötenretter.

    Der Streetworker hing mit gebeugtem Rücken über einem
weitläufigen Zettelchaos, unter dem sich irgendwo ein Schreibtisch verbergen
musste. Im grellen Flimmerlicht der Bürolampen wirkte er älter und
zerknitterter als im Halbdunkel der Bauruine. Ihm gegenüber auf einem
Plastikstuhl mit wackligen Metallbeinen saß – Danner!

    Was zum Teufel machte der hier? Das war mein Fall, er war
raus, er hatte doch hingeschmissen! Wieso war er nicht im Kindergarten? Und war
es so schwer, mal einen Ton davon zu sagen, dass er mir in die Ermittlungen
pfuschen wollte?

    Ich schoss einen giftigen Blick in seine Richtung.

    Danner grinste.

    Der Sozialarbeiter hatte inzwischen aufgesehen. Sein Gesicht
zerknitterte noch mehr. Offenbar überlegte er, woher er mich kannte.

    Â»Tach«, entschied ich mich für einen Überraschungsangriff.
»Sie hatten doch gesagt, ich kann mich melden.« Ich verschränkte die Arme vor
der Brust.

    Danner hatte sich zu mir umgedreht. Das Grübchen, das auf
seiner linken Wange erschien, machte das Denken für mich nicht unbedingt
leichter.

    Â»Ah … äh …« Der Beamte versuchte erfolglos, sich an
meinen Namen zu erinnern. In seinen Unterlagen wühlend, fuhr er fort: »… schön,
dass du es dir überlegt hast. Komm ruhig rein.«

    Ich war ja schon drin.

    Mit einem Rums schloss ich die Tür hinter mir. Ich rückte
einen billigen Plastikstuhl von Danner weg, bevor ich mich setzte. Mein Blick
wanderte über die schwarze Jeans, den dunklen Rolli und die klobigen
Winterstiefel des Detektivs.

    Er war rasiert, bemerkte ich. Und den Bluterguss unter
dem linken Auge hatte er irgendwie verschwinden lassen – mit meinem Make-up,
jede Wette. Nur die Schramme auf seiner Stirn zeugte noch von der Prügelei.

    Â»Das ist Herr … äh …« Anscheinend hatte der Sozialarbeiter
mit Namen Schwierigkeiten.

    Â»Danner«, half ihm Danner weiter und erhob sich. »Aber
ich wollte sowieso gerade gehen.«

    Das wurde auch Zeit! Das war mein Fall! Meiner! Der
Feigling hatte kalte Füße bekommen bei dem Gedanken, dass tatsächlich der Name
einer Frau auf seinem Klingelschild erscheinen könnte!

    Hätte ich mir denken können. Bindungsunfähiger Schisshase!

    Danner verabschiedete sich mit einem Nicken und
schlenderte ohne Eile zur Tür.

    Der Sozialarbeiter winkte zerstreut und wurschtelte weiter
in seinen Zetteln.

    Die Bürotür klackte hinter Danner ins Schloss. Im gleichen
Moment schleuderte Hagen Borze-Filzhut seine wilde Haarmähne nach hinten: »Ah!
Liliana, nicht wahr?«

    Ich zuckte zusammen.

    Mit einem abgenagten Fingernagel tippte der Sozialarbeiter
auf einen Zettel, der ungefähr so zerknittert war wie sein Gesicht. »Da haben
wir es ja.«

    Verflucht! Woher kannte der meinen Namen?

    Â»Treffer, hm?«, triumphierte der Streetworker. »Ich hab
ja versprochen, ich finde es heraus.« Zufrieden nuckelte Borze-Filzhut an einer
Kaffeetasse. »Liliana-Cassandra Simanowski-Ziegler.«

    Er stellte die Tasse auf den Zettel, von dem er las. Ein
feuchter, brauner Rand bildete sich um das Gefäß herum.

    Â»Zwanzig Jahre alt, einen Meter einundsechzig groß, blond
oder auffällig gefärbt und so weiter und so weiter … Vermisst gemeldet seit
Oktober letzten Jahres.«

    Vermisst gemeldet?

    Genauso gut hätte der Sozialarbeiter meinen Hals mit seinen
knochigen Fingern umschließen und mir die Luft abdrücken können. Ich wollte
schlucken, konnte nicht.

    Wussten sie womöglich schon, wo ich war?

    Ich sprang auf und klatschte meine Hände

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