Fliege machen

Molle einquartiert hatte. Und
bevor er verschwunden ist.«

    Â»Du solltest vielleicht irgendwann einen Bericht tippen«,
bemerkte Danner, jetzt wieder kauend.

    Unter dem Tisch spürte ich im gleichen Moment, wie sein
Fuß mein Schienbein hinaufwanderte.

    Ich tippte mir mit zwei Fingern an die Stirn: »Wird erledigt,
Boss.«

    Sein Stiefel erreichte die Innenseite meines
Oberschenkels und ich stopfte mir hastig drei Gabeln voller Nudeln in den Mund:
»Außerdem weiß ich, welcher Sozialarbeiter für die Kids zuständig ist.« Kauend
wurschtelte ich die zerknickte Karte des Krötenretters aus meiner Jackentasche.
»Der wird mir sicher noch mehr erzählen können.«

    Danner nahm mir Hagen Borze-Filzhuts Visitenkarte aus der
Hand und betrachtete sie nachdenklich.

    Â»Irgendwie habe ich allmählich ein ziemlich mieses Gefühl
bei der Sache«, gestand ich. »Fliege hat sein Zeckenasyl nicht wieder abgeholt
und sein ganzes Hab und Gut in der Bauruine zurückgelassen …«

    Danner nickte nachdenklich.

    Â»Check mal die Krankenhäuser, Lenny«, beauftragte er den
Leiter der Mordkommission. »Vielleicht wurde Fliege irgendwo eingeliefert.«

    Staschek holte Luft, um zu protestieren.

    Danner erhob sich und klopfte dem Kommissar auf die
Schulter: »Du überarbeitest dich schon nicht. Was ist mit deinem Bericht,
Lila?«

    Ich stand ebenfalls auf.

    Â»Und was ist mit meinem Essen?«, murrte Molle mit einem
Blick auf meinen halb voll stehen gelassenen Teller.

    Die Kneipentür war noch nicht hinter uns zugefallen, da
hatte Danner mich schon gegen die Flurwand gegenüber gedrückt, an die ein
unbekannter Künstler in übergroßen Buchstaben FUCK gesprayt hatte. Ich spürte die warme Berührung seiner linken
Hand, die unter meine drei Pullover wanderte, meinen nackten Bauch fand, nach
oben glitt. Und ich spürte den kräftigen Griff seiner Rechten im Nacken, die
meinen Hinterkopf vor dem Zusammenstoß mit der Betonwand schützte und
gleichzeitig verhinderte, dass ich seinem heftigen Kuss ausweichen konnte.

    Â»Wer hat denn heute nun besser ermittelt?«, wollte ich
noch wissen.

    Danner verschloss meinen Mund mit seinen Lippen, presste
mich fester gegen die Wand. Nur sein für Sekunden stockender Atem verriet, dass
seine vermutlich angeknacksten Rippen ihm die Belastung übel nahmen.

    Ich schlang ein Bein um seine Hüften.

    Â»Warten wir’s ab«, grinste Danner. Mit beiden Händen
umgriff er meinen Hintern, hob mich hoch und trug mich die Treppe hinauf.

    Â 

18.

    Â»Mistwetter«, fluchte ich. Ich hatte
mein winterfestes Outfit um zwei von Danners T-Shirts ergänzt.

    Die Temperaturen fielen noch immer. Klimawandel und
Erderwärmung zum Trotz schien dieser Januar der kälteste seit Jahren zu werden.
Und ausgerechnet jetzt kam ich auf die Idee, draußen zu übernachten. Brillant.

    Â»Ich hab uns was zum Aufwärmen mitgebracht.« Ich verteilte
Schnapsgläser aus Plastik an Dicke und Engel und auch an Glatze, die heute mit
uns unter der Laterne vorm Lieferanteneingang des Bahnhofsimbiss saß. Dann
setzte ich mich neben die Tätowierte auf die Ziegelmauer, weil Engel und Dicke
je eine der kurzen Holzbänke ausfüllten. Aus dem Ärmel meiner Cordjacke zog ich
eine Flasche Tequila.

    Wahrscheinlich würde Molle überhaupt nicht auffallen,
dass ihm eine fehlte. Wenn doch, konnte ich sie ja als Spesen verbuchen.

    Engel gab mir das Glas zurück und zog ein Bier aus ihrer
Tasche. Hatte der Krötenretter es etwa geschafft, ein bisschen mütterliches
Verantwortungsgefühl bei der Hochschwangeren zu erzeugen?

    Â»Wie war’s mit deinem Kumpel vom Amt?«, erkundigte ich
mich.

    Engel zuckte die Schultern. »Wie immer.«

    Sie hatte ihr rundes Gesicht hinter einem Schal
versteckt, über dem nur ihre spitze, rote Nase und runde Pausbacken zwischen
schwarz-roten Haarfransen herausguckten.

    Â»Heißt das, du gehst jetzt ins Mutter-Kind-Haus?«

    Wieder Schulterzucken. »Weiß nich.«

    Sie leerte das Bier auf Ex und rülpste. So viel zum mütterlichen
Verantwortungsbewusstsein.

    Â»Spinnste jetz, oder was? Du willst dich doch wohl von
dem nich einknasten lassen?«, brauste Dicke auf. Zweifellos war der Tequila
nicht ihr erster Hochprozentiger heute.

    Engel zupfte die zerlöcherten Ärmel ihrer Strickjacke über
ihre rot gefrorenen Finger.