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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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schlafen heute hier oben.«

    Er führte mich in ein kleines Zimmer, die Wände waren
ebenfalls gelb gestrichen, die Gardinen vor dem großen Fenster orange.
Freundlich, aber kahl kam mir der Raum vor. Außer zwei Betten gab es keine
Möbel, wohl weil die Gäste gewöhnlich nicht viel Gepäck mitbrachten.

    Â»Mach es dir bequem. Wenn du so weit bist, kannst du zum
Essen rüberkommen. Es gibt Bratkartoffeln.« Chris machte die Tür hinter mir zu.

    Ãœber dem Ende des am Fenster stehenden Bettes lagen eine
Strickjacke und mehrere schwarze Shirts mit löchrigen Ärmeln.

    Ich hängte meine Jacke über das zweite Bettgestell,
stellte meine Stiefel an die Heizung und pellte mich aus allen im warmen Zimmer
überflüssigen Zwiebelschichten.

    Dann schlug ich die waschbare Decke zur Seite, hockte
mich auf die frisch bezogene Matratze und tippte eine SMS an Danner.

    Hab Engel. Schlaf
am Zug.

    Eine Sekunde lang starrte ich irritiert auf den Text.

    Andere Menschen schrieben jetzt wohl Ich liebe dich. Oder verwendeten eines der allseits beliebten
SMS-Kürzel: ILD . Oder für
Vorsichtigere: HDL. Kuss. Bussi. Mein Schatz.

    Ich hatte einen ILD-Moment, wunderte ich mich. Den ersten
in meinem Leben.

    Verflucht! Danner hatte mich mit dieser Türschild-Scheiße
total durcheinandergebracht.

    Natürlich gab es zwischen Danner und mir keine
ILD-Momente, nicht mal ein HDL. Schnell schickte ich die SMS ab.

    Â 
    Mit Chris saßen fünf Jungs an einem langen
Esstisch auf dem mehrere Teelichter brannten. Und Engel.

    Â»Lila?« Engels rundes Gesicht leuchtete auf, als sie mich
erkannte. »Biste auch hier gelandet?«

    Ich nickte stumm.

    Mein Blick flitzte durch den Raum, im angrenzenden
Wohnbereich entdeckte ich schwarze Ledersofas vor einem großen Fernseher.

    Â»Hier ist noch frei.« Engel deutete mein Zögern als Unsicherheit
und klopfte auf den leeren Korbstuhl neben sich. Das Mädchen hatte geduscht,
bemerkte ich, als ich mich setzte. Sie roch ungewohnt angenehm, nach feuchten
Haaren und Shampoo. Sauber, ungeschminkt, in Jeans und einem dunklen Rolli kam
sie mir wie ein ganz normaler Teenie vor. Na ja, wie ein ganz normaler
schwangerer Teenie.

    Â»Winterbus«, erklärte ich.

    Â»Ich auch.«

    Â»Willste auch duschen?«, erkundigte sich Chris und schob
mir einen sauberen Teller hin. Ein Mädchen mit kinnlangen, kupferroten Haaren
kam mit einer Bratpfanne aus der Küche.

    Â»Oder brauchst du irgendwelche Klamotten? Wir haben eine
Kleiderkammer im Keller. Und eine Waschmaschine.«

    Ich schnupperte prüfend an meinem Ärmel. »Danke, geht
noch«, entschied ich dann.

    Automatisch wanderte der Blick des Jungen an mir herunter
und blieb an meinen Socken hängen. Als hätte er bemerkt, dass sie
verhältnismäßig sauber waren.

    Chris und die Rothaarige – Judith – waren keine Obdachlosen,
sondern Studenten, erfuhr ich beim Essen. Sie jobbten hier im Nachtdienst,
hatten mit den Jugendlichen zusammen gekocht und sie übernachteten auch im
Haus.

    Später kickerten Engel und ich eine Runde, um halb elf lagen
wir in den Betten. Die Heizung unter dem Fenster gluckerte leise. Wasser perlte
an den Scheiben, ein Zeichen dafür, dass draußen die Kälte knackte. Ich war
wirklich erleichtert, in einem geheizten, trockenen Zimmer schlafen zu können
und nicht noch mal am Betonboden eines Rohbaus festfrieren zu müssen.

    Plötzlich kam es mir vor, als hätte ich schon seit einer Ewigkeit
nicht mehr in einem so sauberen Bett gelegen.

    Draußen rauschten in regelmäßigen Abständen die Züge
vorbei, gelegentlich huschte das Scheinwerferlicht vorbeifahrender Autos über
die Wände und im nahen Krankenhaus lieferten die Rettungswagen trötend neue
Kunden ab.

    Ich wollte den Rest des Abends nutzen, um von Engel
endlich etwas über den Verbleib von Fliege und, wenn es ging, auch von Bohne zu
erfahren.

    Â»Fliege ist immer noch verschwunden, oder?«, fragte ich
also in die Dunkelheit.

    Engel antwortete nicht.

    Â»Meinste Bohne hat sich den gepackt?«

    Stille.

    Wieder brummte draußen ein Auto vorbei.

    Â»Was ist? Kann doch sein, oder nicht?«, hakte ich nach.

    Â»Ich dachte, er wär einfach auf Tour gegangen« antwortete
Engel schließlich doch. »Andere Stadt, anderes Land. Aber du hast gesagt, Mücke
ist noch da.«

    Â»Stimmt«, bestätigte ich.

    Â»Jetzt

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