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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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denk ich, ihm is was passiert.«

    Oje. Ich auch.

    Â»Bohne wollte Fliege doch an den Kragen. Weil Fliege dir
geholfen hat, nachdem du Bohne abserviert hast?!«

    Engel schwieg kurz. »Wer hat dir das denn gesteckt?«, erkundigte
sie sich dann.

    Â»Dein Sozialonkel«, verpfiff ich ohne schlechtes Gewissen
den Krötenretter.

    Â»Arschloch.«

    Ich wartete.

    Â»Edgar ist wirklich klug«, meinte Engel.

    Â»Edgar?«

    Â»Fliege. Das ist sein richtiger Name. Der ist schon seit
Jahren auf der Straße. Freiwillig. Weil er nix hält vom Spießerleben.«

    Wie bitte? Hatte ich richtig gehört? Fliege war wirklich
klug? Der dauerstramme Gott-und-die-Welt-Verflucher, der mit einem einzigen
Satz mehr Scheiße produzierte als sein kläffender Gehwegbeschmutzer in einer
ganzen Woche?

    Â»Edgar kennt jeden Trick«, fuhr Engel fort. »Der weiß, wo
man die meisten Pfandflaschen findet. Wie man auf Tankstellen an den Schlüssel
zur Dusche kommt. Wo man ein warmes Essen schnorren kann.«

    Tja, das wusste ich auch.

    Â»Oder den Baustellen-Übernachtungstrick. Ein Haus, ein
Auto oder einen Schrebergarten, in dem man einmal pro Woche Rasen mähen muss,
weil sich sonst die Nachbarn beschweren, so was binde dir bloß nie ans Bein,
hat Edgar immer gesagt. Du besitzt die Dinge nicht, in Wirklichkeit besitzen
diese Dinge dich.«

    Glaubte sie wirklich den Unsinn, den Fliege in seinen
Promille-Predigten verbreitete?

    Â»Wir auf der Straße sind frei, sagt Edgar. Freier als wir
kann niemand leben. Kein Rasenmähen, keine Leasingrate, keine Familie, die zum
Geburtstag Kaffee und Kuchen erwartet.«

    Hey, Fliege war ein obdachloser Romantiker. Ich bezweifelte
aber einfach mal, dass der Penner auf seiner Freiheit beharren würde, wenn ihm
ein Lottogewinn plötzlich das Haus, das Auto und den Schrebergarten ermöglichen
würde.

    Â»Wenn du hier auf der Straße Freunde hast, dann sind es
echte Freunde«, philosophierte Engel weiter. »Wenn hier einer was für dich tut,
dann nicht, weil er Geld oder eine Einladung zur nächsten Gartenparty dafür
erwartet.«

    Engel schwieg nachdenklich.

    Â»Edgar hat mir geholfen, als Kevin durchgedreht ist«,
sprach sie leiser weiter. »Der hat mich versteckt. Hagen dagegen wollte mich
ins Frauenhaus stecken, weil ich nicht bei ihm und seiner Alten einziehen
wollte.«

    Ich horchte auf.

    Â»Dein Sozialonkel will dich ernsthaft durchfüttern? Samt
Kind? Machen diese Typen denn so was immer?«, wunderte ich mich.

    Engel schwieg.

    Im Halbdunkel bildete ich mir ein, zu erkennen, dass sie
zu mir herübersah.

    Â»Die haben wohl eine Gästewohnung.«

    Â»Und da lässt er alle Obdachlosen pennen, um die er sich
kümmert?«, ließ ich nicht locker.

    Wieder Schweigen.

    Die viel zu vertraute Umarmung im Rohbau bahnte sich
einen Weg in mein Gedächtnis. Mal direkt nachgefagt: »Oder haste etwa was mit
dem?«

    Â»Ach, Quatsch«, wehrte Engel schnell ab. »Keine Ahnung,
was der an mir gefressen hat.«

    Mann, Engel! Mir fiel auf Anhieb einiges ein, was ältere
Männer an hübschen Mädchen gern in den Mund nehmen wollten. Oder bereits in den
Mund genommen hatten.

    Der Scheinwerfer eines am Fenster vorbeifahrenden Autos
erhellte die Wände und gleichzeitig meine Gedanken. Vielleicht hatte der
Krötenretter einen ganz anderen Grund, Engel bei der Schwangerschaft zu
unterstützen?!

    Einen, den er mir natürlich nicht verraten hatte.

    Â 

25.

    Zwischen dreistöckigen rissigen
Fassaden in Hellblau, Beige und Gelb klaffte ein gigantisches Loch in der
Stadt. Tief unten ragten aus einer aus Beton gegossenen Bodenplatte unzählige
rostige Metallstangen wie die Gräten eines Fisches aus dem Fundament. Im
hinteren Teil der Baustelle waren bereits das Kellergeschoss und die beiden
darüberliegenden Stockwerke gemauert.

    Sand-, Kies-, Erd- und Steinhaufen waren über das Gelände
verteilt wie die Hügel eines übereifrigen Maulwurfs und zwei gelbe Kräne
wuchsen zwischen den umliegenden Wohnhäusern in die tief hängende Wolkendecke.

    Ein blaues Bauschild der Guski-Bau GmbH verkündete, dass hier ein neuer Gebäudekomplex mit
vierzehn Eigentumswohnungen entstand. Die erdigen Hänge der Grube waren mit
Plastikplanen abgedeckt, aus denen sich Dicke und Engel eine gemütliche Butze
hätten basteln können.

    Sogar heute, am Samstag, stapften

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