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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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gesehen.« Henni füllte einen
großen, grünen Pott mit dampfend heißem Tee. Dabei musterte sie mich kurz, aber
gründlich. An meinen lila Haaren blieben ihre grünen Augen einen Augenblick
hängen. »Wir können dich auch zur Methadon-Ambulanz bringen …«

    Jetzt reichte es aber!

    Â»Ich such eine Freundin von mir«, unterbrach ich Henni,
bevor sie mir anbieten konnte, mich zum nächsten Bordell zu kutschieren. »Sie
nennt sich Engel, ist klein, pummelig, schwanger. Ich mach mir Sorgen, habt ihr
sie heute vielleicht gesehen?«

    Ich schloss meine Hände um den Teepott. Ein scharfer
Geruch nach Früchten und Pfeffer dampfte durch den Bulli.

    Bille und Henni tauschten einen vielsagenden Blick.

    Â»Normal pennen wir zusammen auf ’ner Baustelle Richtung
Wiemelhausen«, köderte ich die beiden Frauen mit ein paar Details, die sie
davon überzeugen sollten, dass Engel tatsächlich meine Freundin war. »Heute
Morgen war ich auf Tour. Als ich zurückkam, war Engel weg und ist bis jetzt
nicht wieder aufgeschlagen. Da bin ich auf die Suche gegangen. Ich meine, sie
ist schwanger. Sie kann ja Wehen kriegen oder so.«

    Â»Klingt nach Nina Caspari«, fand Bille.

    Stimmt, Nina war Engels richtiger Name. Hagen Borze-Filzhut,
der Krötenretter, hatte sie so genannt. Ich nickte eifrig.

    Â»Da mach dir mal keine Sorgen, die haben wir vorhin eingesammelt.«

    Treffer! Ging doch. Jetzt musste ich nur noch rauskriegen,
wo sie sie hingebracht hatten.

    Ãœbertrieben erleichtert, atmete ich auf: »Die sollte nämlich
bei dem Wetter echt nicht draußen pennen, finde ich.«

    Â»Das sollte niemand.« Henni musterte mich. »Was ist mit
dir? Du willst heute Nacht doch wohl auch nicht auf die Platte!?«

    Selbstverständlich spielte ich meine Rolle weiter und
zuckte die Schultern. »Bin doch nicht schwanger.«

    Â»Wach auf, Mädchen«, tadelte mich Bille streng. »Das ist
kein Spiel. Auch in Deutschland erfrieren jeden Winter Menschen auf der Straße.
Auf deiner Baustelle können wir dich morgen als Eiswürfel einsammeln.«

    Â»Entweder bleibst du im Bahnhof, der wird bei diesen
Temperaturen freigegeben«, erklärte Henni bestimmt. »Oder wir bringen dich zu
Nina ins Schlaf am Zug. Das ist die
Notschlafstelle für Jugendliche.«

    Bingo!

    Â»Die stellen dir auch noch ein Klappbett mit ins Zimmer,
wenn sie voll sind«, ergänzte Bille und krabbelte wieder nach vorn auf den
Fahrersitz.

    Nach mehreren Versuchen, die klangen, als müsste das
Fahrzeug sich übergeben, gelang es Bille tatsächlich, den Motor wieder zu
starten. Hustend und hopsend reihte sich der Winterbus in den Verkehr ein.

    Ich hielt meine Teetasse in die Höhe, bevor sich der Inhalt
über das ganze Tischchen verteilen konnte.

    Kaum zwei Minuten später bogen wir unter der Bahnunterführung
der Castroper Straße in einen engen Kopfsteinpflasterweg. Der glatte, holprige
Boden brachte den Bulli so stark zum Schlingern und Klappern, dass ich im
Seitenspiegel nach verlorenen Wagenteilen Ausschau hielt.

    In der nächsten Kurve, direkt neben der Bahnstrecke,
würgte Bille den Wagen ab.

    Â»Da sind wir.« Henni deutete auf ein niedriges,
orange-rot gestrichenes Häuschen direkt an der Straße. »Wenn du Glück hast,
kriegst du noch was zu essen ab.«

    Â 

24.

    Mir öffnete ein kräftiger Junge in
einem roten Kapuzensweatshirt. Seine hohen Wangen verliehen ihm ein leicht
asiatisches Aussehen, er war rasiert, die dunklen Haare kurz geschnitten und im
linken seiner etwas abstehenden Ohren baumelten drei schlichte Silberringe.

    Â»Komm rein!«, sagte er, bevor ich mich auch nur vorgestellt
hatte. Ich vermutete mal, dass Jugendliche mit bunten Haaren hier abends um
acht alle aus demselben Grund klingelten.

    Â»Ich bin Chris. Du hast Glück, dass du ein Mädchen bist,
da haben wir heute noch Platz.«

    Ich stand in dem gefliesten Flur, direkt vor einem Tischfußballspiel,
und wunderte mich über die freundlichen, hellen Farben. Die Wände waren in Gelb
und Orange gestrichen, rote Gardinen dazu. Stimmen schallten durchs Haus und es
roch nach Essen. Nett.

    Â»Warst du schon mal hier?«

    Ich schüttelte den Kopf.

    Â»Zigaretten, Drogen und Alkohol sind verboten. Und morgen
früh musst du bis neun wieder raus sein.« Chris öffnete eine Tür direkt neben
dem Eingang. »Die Mädchen

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