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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Handschrift mit Fliege beschriftet war.

    Â»Detektivregel Nummer zwei«, belehrte mich Danner
grinsend. »Berichte werden immer sofort geschrieben.«

    Ja, ja, ich hatte es kapiert. Ich würde ihn noch in
zwanzig Jahren Großmeister nennen müssen.

    Praktischerweise hatte die Straßenzeitung gleich die
Sprechzeiten von Dr. Schmidtmeyer bei verschiedenen Hilfseinrichtungen für
Wohnungslose mit abgedruckt.

    Weil die nächste Sprechstunde natürlich erst Montag in
der Bochumer Suppenküche am Bahnhof
stattfand, konnte ich die freie Zeit am Sonntag nutzen, um alle nicht geschriebenen
Berichte zu tippen und sorgfältig in Danners Fliege -Ordner einzusortieren.

    Â 
    Â»Wärst du eher gekommen, wäre der Socken gar nicht
erst eingewachsen. Und du bist doch sowieso immer zum Essen drüben.«

    Doktor Raissa Schmidtmeyer war nicht zu sehen, als wir
den kleinen Raum betraten, aber zu hören. Es stank nach Alkohol. Und das lag
nicht am Desinfektionsmittel. Es roch unverkennbar nach Bier.

    Auf dem einfachen Tisch stand ein offener Arztkoffer neben
einer Blutdruckmanschette.

    Â»Und das hier ist wieder die Krätze. Weil die Milben
deine Socken für ein All-inclusive-Hotel halten.«

    Der weiße Vorhang, der den hinteren Bereich des Raumes
vom Rest abtrennte, bekam eine Beule.

    Â»Hatte ich dir letztes Mal keine Salbe mitgegeben?«

    Â»Nö«, nuschelte eine zweite Stimme undeutlich.

    Die Beule im Vorhang wurde größer, ein breiter Hintern in
einer weißen Hose kam zum Vorschein, dann ein rosa Pullover, in dem eine
pummelige kleine Frau steckte. Um ihren Hals baumelte ein schlichtschwarzes
Stethoskop. Doktor Raissa Schmidtmeyer war Ende fünfzig, trug eine fusselige,
blonde Kurzhaarfrisur, blauen Lidschatten und glänzenden Lippenstift, der ihrem
teigigen Gesicht Konturen gab.

    Â»Guten Tag.« Ein goldener Schneidezahn blinkte im Mund
der Ärztin auf. Sie musterte Danner und mich mit einem prüfenden Blick.
»Augenblick, bitte.« Sie erwartete keine Antwort, sondern klappte ein kleines,
schwarzes Buch auf und blätterte darin.

    Â»Ich hab dir letztes Mal erst Wilkinson-Salbe mitgegeben, Micha«, sagte sie zu dem Vorhang. Ihre
Stimme war tief und dunkel, sie rollte die Rs und zog die Vokale ein klein bisschen
in die Länge. Ein leichter östlicher Akzent.

    Der Vorhang schwieg.

    Â»Das war vor zwei Monaten.« Die Ärztin öffnete ein wackelndes
Sideboard und kramte eine weiße Tube aus einer Plastikkiste.

    Â»Hab ich Simmel verkauft«, nuschelte der Vorhang. »Für ’n
Schlafsack.«

    Â»Na, immerhin.« Die Ärztin tauchte wieder unter dem
gardinenartigen Stoff hindurch, sodass nur noch ihr Hintern zu sehen war.
»Hier, ist meine letzte. Benutz die aber auch, sonst wird das mit dem Ausschlag
nie besser. Und besorg dir bei der Kleiderkammer neue Socken.«

    Sie wurschtelte sich wieder hervor, trat mit einem
Schläppchenabsatz auf den Öffner eines kleinen Mülleimers und warf die
Gummihandschuhe hinein. Anschließend wusch sie sich trotzdem noch die Hände.

    Â»Und was kann ich für Sie tun?«

    Â»Danner, Kripo Bochum.« Geübt ließ Danner sein Portemonnaie
aufklappen und die Ärztin einen kurzen Blick auf die Farbkopie von Stascheks
Dienstausweis werfen.

    Â»Wir suchen Kevin Bonetzki.«

    Die Ärztin stemmte die frisch desinfizierten Hände auf
die runden Hüften: »Auch wenn es Sie überrascht: Meine Patienten weisen sich
eher selten aus.«

    Â»Die Straßenkids nennen ihn Bohne. Einundzwanzig Jahre
alt, groß, dünn, trägt haufenweise Ketten und Ringe …«

    Â»â€¦ und hat ein Nasenproblem.« Ich tippte mir ins Gesicht.

    Die Ärztin musterte uns nachdenklich.

    Â»Kennen Sie ihn?«, bestand Danner auf eine Antwort.

    Â»Was hat er denn ausgefressen?«

    Also ja.

    Â»Gefährliche Körperverletzung.«

    Die Ärztin runzelte die Stirn.

    Â»Außerdem besteht der dringende Verdacht, dass er einen
Obdachlosen im Stadtpark zusammengeschlagen und bewusstlos liegen gelassen
haben könnte«, köderte Danner sie ziemlich fies mit dieser bisher völlig
unbewiesenen Behauptung. »Der Mann ist tot.«

    Doktor Schmidtmeyer schluckte sichtbar. »Wer – wer ist
es?«, erkundigte sie sich nach kurzem Zögern.

    Â»Fliege.«

    Die blau geschminkten Augen der Frau weiteten sich erschrocken.
»Edgar ist

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