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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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doch nicht …?«

    Doch, wollte ich sagen, aber nicht einmal dieses eine
Wort bekam ich heraus. Mein Mund war trocken, meine Lippen spröde, ich fuhr mit
der Zunge darüber.

    Â»Doch«, krächzte ich schließlich.

    Â»Tot?«, flüsterte Engel tonlos. »Edgar ist tot?«

    Ich nickte wieder. Durch die Feuchtigkeit der Spucke fraß
sich die Kälte brennend in meine Lippen. Mit dem Ärmel wischte ich mir über den
schmerzenden Mund.

    Die Tränen lösten sich aus Engels Augenwinkeln, rannen
über ihre Wangen.

    Dicke verzog keine Miene.

    Engel hörte nicht auf, den Kopf zu schütteln.

    Die Sekunden dehnten sich zäh, während wir schweigend vor
der Bauruine standen.

    Â»Du brauchst was zu trinken«, entschied Dicke schließlich
und schob Engel am Arm zurück in das halb fertige Haus.

    Â»Wir haben gestritten an dem Abend«, stammelte Engel
tonlos. »Er stand schon voll unter Strom, als ich aus der Stadt zurückkam. Er
war schlecht drauf. Keine Ahnung, was passiert war. Dann fing er schon wieder
damit an, dass er kein Kind haben wollte.«

    Ich folgte den beiden in die Pennerbude unter der Treppe.
Müde hockten wir uns um den vor sich hin kokelnden Grill. Es war kalt, die
glimmenden Kohlen strahlten kaum genug Hitze ab, um meine Finger zu wärmen.

    Engel plumpste auf das Sofa und ploppte eine Bierflasche
auf. »Er hat gemeint, ich hätte mit ihm sprechen müssen, bevor ich die Pille
abgesetzt hab.«

    Ach nein, wirklich?

    Engel trank und Dicke schüttete den Rest ihres Bieres in
die Glut im Grill. Es zischte, Qualm wirbelte in die Höhe, der scharfe Geruch
von Verbranntem stieg mir in die Nase.

    Â»Der hat nur Mist gelabert an dem Abend.« Engel öffnete
bereits die nächste Flasche. »Dass ihn alle verarschen würden. Das wir alle
Vampire wären, die ihn nur aussaugen wollten. Ich sowieso. Ich hätte abtreiben
sollen, solange es noch ging. Wenn der voll war, tickte der nicht richtig. Der
wurde dann richtig fies. Ich bin auch sauer geworden, hab gemeint, dass man nun
mal schwanger werden kann, wenn man miteinander schläft, und dass er in seinem
Alter davon schon mal gehört haben sollte.«

    Plötzlich fühlte ich mich unwohl.

    Â»Dieser Pisser«, knurrte Dicke. »Erst ein Kind schwängern
und ihm dann noch die Schuld dafür in die Schuhe schieben.«

    Mein Blick wanderte kurz zu der Dicken, die ja selbst nur
ein Jahr älter war als Engel – auch wenn man ihr das nicht ansah.

    Engel trank erneut, diesmal zu hastig, das Bier schäumte
ihr übers Kinn. Sie wischte sich den Mund mit ihrer ausgefransten Strickjacke
ab.

    Â»Er wurde immer wütender«, schniefte sie. »Er sagte, alle
würden glauben, man könne ihn verarschen! Aber er würde nicht mehr mitspielen.
Und dann ist er weg und nicht wiedergekommen.«

    Klang tatsächlich sehr nach der bekannten
Original-Fliege-die-Welt-ist-schlecht-Predigt. Die auf einmal einen Sinn zu
ergeben schien.

    Â»Um wie viel Uhr war das?«

    Engel versuchte, die nächste Flasche zu öffnen. Es
klappte nicht. »Weiß nicht. Ich war von meiner Tour zurück. Abends irgendwann,
so sieben oder acht?«

    Anschließend hatte Fliege bei Molle weitergesoffen. Eine
Erinnerung tauchte in meinem Kopf auf.

    Â»Später hast du ihn nicht mehr gesehen?«

    Â»Nee.« Engel zerrte an dem Bügelverschluss der Flasche.

    Â»Ganz sicher?«, ließ ich nicht locker. »Und du bist hier
geblieben? Nicht noch mal zum Bahnhof oder so?«

    Â»Nee!« Entnervt schleuderte Engel die Bierflasche aufs Sofa.

    Ich starrte das Mädchen an.

    Das stimmte nicht. Fliege musste noch einmal zurückgekehrt
sein! Ganz sicher. Ich hatte doch die alte Zeitung im Keller neben seinem Lager
gefunden. Die Zeitung mit dem Artikel über den Alkohol-Unfall. Fliege hatte sie
in Molles Kneipe dabeigehabt, also musste er noch einmal hierher zurückgekommen
sein und sie in seinen Unterschlupf im Keller gebracht haben.

    Log Engel?

    Ich schob die Plastikplane, mit der die Bude der Mädchen
verhängt war, ein Stück zur Seite. Die Treppe in den Keller befand sich keine
drei Meter vom Unterschlupf der Mädchen entfernt. Und so besoffen, wie Fliege
gewesen war, war er bestimmt nicht rücksichtsvoll auf Zehenspitzen an den
Mädchen vorbeigeschlichen. Die beiden mussten ihn bemerkt haben.

    Verwundert angelte auch ich mir eine

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