Fliege machen

Lederhandschuhe von den Händen und die Bommelmütze
vom Kopf.

    Staunend beobachtete ich, wie er sich mit den Fingern
durch die Haare fuhr. Statt wie bei jedem normalen Menschen nach dem Tragen
einer Mütze unordentlich und verschwitzt am Kopf zu kleben, fielen Lennart
Stascheks Haare sexy in einer glänzenden Welle in die Stirn.

    Unschlüssig blieb der Polizist neben dem Tisch stehen.
Seinen Stuhl besetzte Flieges deprimierter Hund.

    Â»Was ’n Scheißtag«, murrte der Kommissar mit einem bösen
Blick auf den pelzigen Platzbesetzer.

    Mücke hob die Lefzen zu einem kurzen Knurren.

    Molle hörte auf, den Rosenkohl zu rollen. Der dicke Wirt
rückte Staschek einen fünften Stuhl an den Tisch und stellte dem Kommissar
einen Teller unter die Nase.

    Staschek pikte seine Gabel in das letzte Schnitzel.

    Â»Wir haben alle Krankenhäuser nach Kevin Bonetzki abgesucht.
Die Fahndung ist raus und der Bahnhof wird überwacht«, brummte Staschek
grimmig. »Und der verdammte Penner hat keine Identität. Das ist das nächste Rätsel.
Der wird ja nicht als ›Fliege‹ geboren worden sein. Aber er hatte natürlich
keine Papiere bei sich. Und Sozialhilfe hat er anscheinend auch nicht bezogen.
Ein einziges Mal war er vor Jahren bei der Kleiderkammer. Der Typ konnte sich
erinnern, weil er nach einer Krawatte gefragt hat. So was wird da nicht so oft
verlangt und sie hatten zu dem Zeitpunkt auch keinen Schlips im Angebot. Nur
eine altrosa Fliege. Die hat er dann ja auch mitgenommen.«

    Und bis zu seinem Tod getragen.

    Â»Ansonsten hat sich unser Freund Fliege nicht mal Spenden
bei der Tafel oder anderen
Organisationen besorgt, bei denen man einen Hartz-IV-Bescheid vorlegen muss.
Wovon hat der gelebt, zum Teufel?«

    Â»Pfandflaschen«, trug ich was zum Gespräch bei.

    Stascheks Blick wanderte zu mir.

    Â»Lila ist übrigens die Einzige, die überhaupt seinen Vornamen
kennt.« Der Kriminalkommissar musterte mich scharf.

    Â»Edgar«, nickte ich.

    Â»Hab ich mitgekriegt. Weißt du sonst noch was über ihn?
Irgendeine Kleinigkeit, die dir nicht so wichtig vorkommt, dass man sie in
einem Bericht erwähnen müsste? Seinen Nachnamen zum Beispiel?«

    Arschloch.

    Â»Nach dem Nachnamen müsste ich mich umhören«, giftete ich
zurück. »Das nennt man Arbeit und das kostet dich zweihundert Euro.«

    Â»Hey, du hast ja was von mir gelernt«, lobte Danner mit
gespieltem Staunen.

    Â»Vergiss es«, winkte Staschek ab. »Da schick ich lieber
ein paar Grüne los.«

    Â»Gute Idee«, nickte ich anerkennend. »Bestimmt laden die
Straßenkids sie auf ein Bier ein.«

    Mit knirschenden Zähnen zückte der Kommissar sein Portemonnaie.

    Â 

30.

    Â»Du wirst jemand anderen kennenlernen,
Engel – Nina. Du bist doch noch jung. Irgendwann triffst du einen Netten. Gut
aussehenden. Stinkreichen. Einen, der auch ein toller Papa für dein Kind sein
wird.«

    Unschlüssig stand ich vor der Bauruine. Und offenbar
stand ich schon eine Weile zu lange dort, denn meine Turnschuhe schienen am
Boden festgefroren zu sein.

    Wie wäre es mit: »Es gibt so viele anständige Männer«?

    Ha! Das würde mir nicht mal die Schlumpfgruppe abkaufen.
Fiel mir keine brauchbarere Lüge ein?

    Â»Sorry, falscher Alarm, Engel. Die Polizei hat da zwar
eine Leiche im Stadtpark gefunden, aber es war nicht Fliegen-Edgar. Willste ’n
Bier?«

    Â»Lila?«

    Augenblicklich wurde mir heiß. Meine gerade noch zitternden
Finger waren nass von kaltem Schweiß. Ich drehte mich zu Engel um.

    Â»Ich dachte schon, du tauchst nicht wieder auf. Hast du
Edgar gefunden?« Engel hielt ihren Bauch mit den Händen fest, wirre,
schwarz-rote Haarsträhnen hingen in ihr rundes Gesicht.

    Verdammt! Es gibt noch so viele andere Männer, war das
Einzige, was mir durch den Kopf ging. Aber diesen Blödsinn brachte ich nicht
über die Lippen.

    Â»Wer ruft dich an und steckt dir, wo Fliege ist?«,
kläffte Dicke mich misstrauisch an. »Wieso weißt du so viel über den Typen? Was
willst du von dem?«

    Â»Halt den Mund, Miri!«, fuhr Engel die Dicke schrill an.
»Wen interessiert das?« Sie wandte sich wieder an mich: »Ist er …?«

    Ich nickte.

    Â»Ach du Scheiße!« Dicke kapierte jetzt auch und griff Engel
am Arm.

    Die Schwangere schüttelte den Kopf: »Aber er ist doch
nicht – er ist