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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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perfekten
Fingernägeln.

    Â»Es ist alles so weit weg, als wäre das gar nicht mein Leben.
Manchmal hatte ich beinahe vergessen, dass es Edgar einmal gegeben hat.«

    Papier ratschte auseinander, als ich das Album
aufklappte. Auf der stark vergilbten ersten Seite hinter schmutzigen Folien
lächelte eine junge Frau mit dauergewellter Föhnfrisur in einem in
schwarz-weißem Leopardenlook gemusterten Kleid. Sie saß neben einem pickligen,
jungen Mann in kariertem Hemd und Blaumann auf einer Eckbank, wie sie in den
Sechzigern in jeder Küche gestanden hatte. Heute fand man solche Dinger nur
noch in Molles Kneipe.

    Â»Das ist – Edgars Schwester«, erklärte Susi bereitwillig.
Sie setzte sich viel zu dicht neben Staschek und der strich sich seine Haare
aus der Stirn – drei Mal hintereinander.

    Danner und ich grinsten uns an.

    Susi tippte mit einem rosa Fingernagel auf die
Leoparden-Lady: »Die hatte schon immer einen Hang zu …«, Susi zog spöttisch die
Augenbrauen hoch, »… extravaganter Mode. Das muss Anfang der Achtziger gewesen
sein. Da war Edgar um die zwanzig.«

    Sie deutete auf den bepickelten, jungen Mann neben der
Leopardin.

    Das Bild darunter zeigte Edgar Guski in Jeans mit Schlag
und freiem Oberkörper. Im Schneidersitz hockte er auf einem rostroten VW-Käfer,
eine Flasche Bier in der Hand. Er war schlank, sehr muskulös, blonde Strähnen
hatten sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst und hingen ihm ins Gesicht.

    Auf dem Foto schien Edgar Guski ein ganz normaler Junge
in meinem Alter, der in einer vergilbten Zeit lebte, in der VW-Käfer noch matt
lackiert waren und Eckbänke in den Küchen standen.

    Auf der nächsten Aufnahme erkannte ich eine Gruppe Jugendlicher,
Sonnenschein, Gitarren und Bier. Offenbar wurde gefeiert. Guski hielt ein
dünnes Mädchen mit wallender, blonder Mähne im Arm.

    Â»Die Party, nachdem ich meine Ausbildung geschafft hatte«,
erklärte Susi und rieb sich über die Augen, als zweifelte sie selbst an dem,
was sie sah. »Zur Chemielaborantin. Und Edgar hatte gerade seinen Meisterbrief
in der Tasche. Er war dreiundzwanzig, der jüngste Maurermeister, den es in der
Bauinnung bis dahin gegeben hatte. Mit Bestnoten.«

    Danner pfiff durch die Zähne.

    Die nächste Überraschung: Unser fluchender Penner war im
Besitz eines Meisterbriefes mit Bestnoten. Nie wieder würde ich mir beim
Anblick eines Obdachlosen denken können: Wenn ich eine Ausbildung mache, werde
ich bestimmt nicht so enden.

    Meisterbrief, Verlobung, Freunde. Besser konnte man doch
gar nicht ins Leben starten. Wieso starb ausgerechnet dieser Typ dreißig Jahre
später unter einer Parkbank?

    Â»Edgars Vater.«

    Susi hatte umgeblättert. Ihr rosa Fingernagel tippte auf
das Bild eines alten Mannes. Auf einen Spazierstock gestützt saß er in einem
hellbraunen Sessel, die Füße auf einem wild gemusterten Teppich.

    Â»Sieht man«, meinte Danner.

    Stimmte. Obwohl der Mann gekämmt und sein Bart gestutzt
war und er eine Strickjacke zu einer Cordhose trug, war die Ähnlichkeit
verblüffend. Die glasigen Augen, die geplatzen Äderchen rund um die dicke
Knollennase in dem aufgedunsenen Gesicht, das zahnlose Lächeln.

    Â»Wirklich?« Susi betrachtete das Bild stirnrunzelnd. »Ich
habe Edgar anders in Erinnerung. Aber wahrscheinlich sehen alle Säufer
irgendwann so aus …« Sie zupfte ein Taschentuch aus einer Packung und tupfte
sich über die Augen.

    Â»Entschuldigen Sie, das kommt alles ein bisschen plötzlich.
Ich habe so lange nicht an Edgar gedacht, und jetzt ist er tot und ich sehe
plötzlich diese Fotos wieder.«

    Staschek nickte mitfühlend.

    Â»Edgars Mutter verstarb kurz nach unserer Hochzeit. Erst
da haben wir überhaupt bemerkt, was mit seinem Vater los war. Edeltraud hat das
all die Jahre perfekt vertuscht. Plötzlich fanden wir verkohlte Pfannen in der
Küche, weil Edgars Vater vergaß, den Herd abzustellen. Einmal war das ganze
Haus überschwemmt. Die Badewanne war übergelaufen, während er seinen Rausch
ausschlief. Von den Brandlöchern der Zigaretten ganz zu schweigen.« Susis
Kiefermuskulatur spannte sich, während sie kopfschüttelnd das Bild betrachtete.
»Wir haben ihn zu uns genommen und ich habe ihn vier Jahre lang gepflegt. Mit
dreiundfünfzig ist Siggi gestorben.«

    Der Mann auf dem Bild sah aus wie siebzig.

    Â»Ich

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