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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Alte, bis er mit zitternden Fingern den Knopf seines Feuerzeugs gedrückt
halten konnte.

    Ich vermutete, dass seine Hände nicht nur vor Kälte bebten.

    Steif hinkte er ein paar der Betonstufen hinunter. Auf
dem Campus der Ruhr-Uni, wo die Autopsie an Fliege durchgeführt worden war,
diente die Treppe als Sitzgelegenheit.

    Danner folgte ihm. Weil er offenbar nicht die Absicht
hatte, Freddie allein hier sitzen zu lassen, wischte ich mit dem Jackenärmel
die dünne Schneeschicht zur Seite und hockte mich ein Stück entfernt auf die
Stufen.

    Â»Dat hat der Boss nich verdient.« Die qualmende Zigarette
wackelte bedenklich zwischen Freddies Fingern. Die dicken Hornhautschwielen
seiner Hände waren durch die Arbeit in der Kälte eingerissen, stellenweise
blutig. Sein langer erster Zug ließ die Kippe gleich um die Hälfte zusammenglühen.
»Ich hab ihm gesagt, er soll nicht so viel saufen, bei der Kälte.«

    Ich tauschte einen erstaunten Blick mit Danner. Der drehte
hinter seinem Rücken einen Daumen nach oben.

    Freddie bemerkte es nicht, sondern pustete gedankenverloren
weißen Rauch in den wolkigen Winterhimmel. »Der Schnaps treibt das Blut in die
Glieder, dann erfriert dir dat Herz. Da musste aufpassen, wenn de draußen
schläfst.«

    Â»Sie hatten Kontakt zu Edgar Guski!?«, nagelte Danner den
Bauarbeiter fest.

    Freddie nickte. »Ab und an hab ich ihm die Baustellen offen
gelassen, damit er da pennen konnte. Oder ihm mal ’ne Kiste Bier innen Bauwagen
gestellt.«

    Oder eine Taschenlampe dagelassen?

    Â»Wissen Sie, ob er in Schwierigkeiten steckte?«, klinkte
ich mich in das Gespräch der Männer ein.

    Freddies trübe Augen wanderten zu mir. Er musterte mich
so erfreut, als hätte ihn ein schlecht erzogener Schoßhund angekläfft.
»Schätzeken, stecken wir nicht alle irgendwie in der Scheiße?«

    Â»Hat er mal mit Ihnen über seine Probleme gesprochen?«,
stellte Danner meine Frage anders.

    Und siehe da, jemandem mit Bartwuchs antwortete Freddie
bereitwillig: »Nee. Der hat sich kaum blicken lassen. Nur, wenn ich wirklich
der Letzte auffem Bau war. Wir haben hier und da mal ’ne Flasche Bier getrunken
und uns über die Weiber ausgekotzt. Meine nimmt mich ja schon aus wie ’ne
Weihnachtsgans. Aber der Boss, der hat sich echt noch mal von einer ’n Balg
anhängen lassen! Dabei hätt der es echt besser wissen müssen. Sonst war der ja
wirklich ’n helles Köpfchen, aber die Weiber, die konnten den schon immer um
den Finger wickeln.«

    Mist. Immer wieder stießen wir auf Engel.

    Â»Er wollte schon ganz weg. Irgendwo in ’n Süden oder so.
Hätt er man machen sollen, da wär er jedenfalls nicht erfroren.«

    Danner schob sich die Mütze ins Genick. »Hat er von Jugendlichen
erzählt, die ihn bedroht haben?«

    Â»Pffft!«, machte Freddie verächtlich.

    Â»Von einer Exfreundin, die ihm nachgelaufen ist?«

    Â»Eine?«

    Ja, ja. Fliege, der Frauenschwarm. Langsam hatte ich es
kapiert.

    Â»Edgar Guski war ein vernünftiger Chef, hm?«, wechselte
Danner das Thema.

    Â»Jau. Ist ’ne Schande, dat der so enden musste. Gab Zeiten,
da hätt ich meine Leber verwettet, dass der Junge mal in ’nem goldenen Sarg
unter die Erde kommt.« Freddie klopfte sich auf den Bauch. »Tja, nu liegt er im
Kühlhaus und die Leber ist hin.«

    Â»War das abzusehen? Dass den Guski mal der Schluck
umbringt, meine ich.«

    Freddie zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Lag ja inner
Familie bei dem. Sein Vater hat sich schon totgesoffen, dat haben wir alle
mitjekriegt, damals. Der hatte sich dat Jehirn wegjeballert, konnte sich nicht
mal mehr allein den Arsch abwischen. Aber den Schnaps, den hat er sich noch
immer besorcht. Hatt ’n verlängert, als er nicht mehr selbst einkaufen konnte,
daran isser dann auch krepiert. Nachdem sein Alter unter der Erde war, ist der
Boss inne Klinik und dann hat er ’ne janze Weile die Finger vom Stoff jelassen.
Da dacht ich schon, der wird so ’n Müsli. Hat keine Kippen mehr angerührt und
keinen Schluck und ist jeden Abend durch ’n Stadtpark gerannt wie ’n
Verrückter.« Freddie kratzte sich am Kinn. »Hat dann aber doch nicht geklappt.
Und im Nachhinein hat er’s ja richtig gemacht, der Junge.«

    Sprachen wir noch von dem Penner, der in einem Kühlfach
steckte? Richtig konnte man das

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