Fliegende Fetzen
interessant. Wir müssen jetzt gehen. Es war sehr freundlich von dir, mit uns zu sprechen.«
»Äh… nein, bitte verweilt noch etwas…«
Ein vager Hauch von Parfüm verblieb in der Luft.
Beti richtete einen verärgerten Blick auf Colon. »Manchmal möchte ich dir wirklich ein Ding verpassen«, knurrte sie. »Meine erste verdammte Chance seit
Jahren,
und du…«
Sie unterbrach sich. Hinter Colon tauchten zahlreiche verwirrte und mißbilligend blickende Mienen auf.
An dieser Stelle hätten die Ereignisse vielleicht einen anderen Verlauf genommen – wäre nicht der Schrei eines Esels erklungen. Er kam von oben.
Der gestohlene Esel – eigentlich eine Eselin – hatte Nobbys unerfahrene Obhut verlassen, um nach Nahrung zu suchen. Freßbares war für sie mit der Tür ihres Stalls verbunden, was sie dazu veranlaßte, durch die nächste offene Tür zu wandern.
Die führte zu einer schmalen Wendeltreppe. Auch ihr Stall war schmal, und Treppen stellten für einen an die Straßen von Al-Khali gewöhnten Esel kein Problem dar.
Die große Enttäuschung kam, als es am Ende der Treppe
noch immer
kein Heu gab.
»O nein«, sagte jemand hinter Colon. »Es ist
schon wieder
ein Esel oben im Minarett.«
Die Leute stöhnten.
»Na und?« erwiderte Colon. »Was nach oben klettert, kommt auch wieder herunter.«
»Du weißt nichts davon?« fragte ein Klatschianer aus der Schüsselrunde. »Gibt es keine
Minarette
in Ur?«
»Äh…«, sagte Colon.
»Wir haben viele Esel«, warf Lord Vetinari ein. Gelächter erklang, und der größte Teil davon meinte Colon.
Einer der Männer deutete ins dunkle Innere des Turms.
»Sieh nur…«
»Eine sehr schmale Wendeltreppe«, sagte der Patrizier. »Und…?«
»Oben hat der Esel nicht genug Platz, um sich umzudrehen. Jeder
Narr
kann einen Esel über die Wendeltreppe eines Minaretts nach oben führen. Aber hast du schon einmal versucht, den Esel dazu zu bringen, rückwärts über eine schmale Treppe zu gehen, noch dazu im Dunkeln? Das ist unmöglich.«
»Solche Treppen haben irgend etwas an sich«, meinte jemand anders. »Esel fühlen sich von ihnen angezogen. Sie glauben, oben etwas zu finden.«
»Den letzten mußten wir übers Geländer schieben, wißt ihr noch?« sagte einer der Wächter.
»Ja«, bestätigte der andere Wächter. »Es platschte, als er aufs Pflaster fiel.«
»Niemand schiebt Valerie über irgend etwas«, knurrte Beti. »Wenn jemand von euch das versucht, bei den Göttern, dann kriegt er es mit…« Nobby unterbrach sich, und ein böses Lächeln wuchs hinter seinem Schleier in die Breite. »Ich meine, der Betreffende bekommt von mir einen dicken, feuchten Kuß.«
Die ganz hinten stehenden Männer drehten sich um und flohen.
»Es gibt keinen Grund, so gemein zu werden«, sagte ein Wächter.
»Ich meine es ernst!« Beti trat einen drohenden Schritt vor.
Der Wächter wich zurück. »Könnt ihr Herren sie nicht irgendwie… äh… bändigen?«
»Wir?« fragte Lord Vetinari. »Ich fürchte, dazu sind wir nicht fähig. Meine Güte… vielleicht spielt sich hier das gleiche ab wie in Djelibeby, Al.«
»Meine Güte.« Colon stöhnte gehorsam. Das Publikum – beziehungsweise der Teil des Publikums, der sich in sicherer Entfernung von Beti wähnte – lächelte, als es Straßentheater erkannte.
»Wer weiß, ob es ihnen gelungen ist, den Mann von der Fahnenstange zu holen«, fuhr Vetinari fort.
»Oh, vielleicht den
größten Teil
von ihm«, fügte Colon hinzu.
»Da fällt mir ein, da fällt mir ein…«, sagte der Wächter hastig. »Wie wär’s, wenn wir ein Seil um den Esel binden…«
»… um sie…«, knurrte Beti.
»Ja, um sie, und dann…«
»Dazu wären mindestens drei Männer erforderlich, und dort oben ist einfach nicht genug Platz!«
»Ich habe eine Idee«, flüsterte der zweite Wächter dem ersten zu.
»Beeil dich«, sagte Colon. »Niemand kann Beti aufhalten, wenn sie richtig losgelegt hat.«
Die Wächter flüsterten miteinander.
»Wir kommen in Schwierigkeiten, wenn wir uns auf so etwas einlassen! Du weißt doch, was man uns über die Notwendigkeiten des Krieges erzählt hat… Deshalb sind sie alle beschlagnahmt worden.«
»Wenn wir uns einen für fünf Minuten ausleihen, wird ihn niemand vermissen!«
»Ja, aber möchtest du dem Prinzen mitteilen, daß einer verlorengegangen ist?«
»Na schön. Aber willst du ihr das erklären?«
Sie sahen beide zu Beti.
»Und sie sind ganz leicht zu steuern«, flüsterte einer von ihnen.
»Valerie?«
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