Fliegende Fetzen
Nobby errötete.
»Soll das heißen…«, begann sie. »Du… du suchst nach einer…«
»Oh, ich will nicht nur… Ich meine, ich will alles richtig machen, wie es sich gehört… Ich meine, nein.« Nobby unterbrach sich und holte Luft. »Ich meine folgendes: Wenn man älter wird, denkt man darüber nach, sich zur Ruhe zu setzen und jemanden zu finden, mit dem man Hand in Hand die holprige Landstraße des Lebens wandern kann… Warum steht dein Mund offen?«
Angua klappte ihn wieder zu.
»Aber es gelingt mir einfach nicht, Frauen kennenzulernen«, fügte Nobby hinzu. »Nun, ich meine, ich
begegne
ihnen – und dann laufen sie weg.«
»Trotz der Creme.«
»Ja.«
»Und der Übungen.«
»Ja.«
»Nun, du hast es mit allen Mitteln versucht, das sehe ich«, sagte Angua. »Es ist mir ein Rätsel, wieso du bisher noch keinen Erfolg hattest.« Sie seufzte. »Was ist mit Stamina Klimper in der Ulmenstraße?«
»Sie hat ein Holzbein.«
»Oder wie wär’s mit… Wilma Schubwagen? Sie hat den Muschel-Imbißstand in der Rauhreifstraße.«
»Meinst du ›Hammerhai‹? Die stinkt die ganze Zeit nach Fisch. Und außerdem schielt sie.«
»Aber sie hat ihr eigenes Geschäft. Und sie macht eine ausgezeichnete Fischsuppe.«
»Aber sie schielt.«
»Eigentlich nicht richtig, Nobby.«
»Ja, aber du weißt, was ich meine.«
Angua mußte zugeben, daß sie es tatsächlich wußte. Wilma Schubwagen schielte nicht in dem Sinne; eher im Gegenteil: Beide Augen schienen bestrebt zu sein, einen Blick ins angrenzende Ohr zu werfen. Wenn man mit ihr sprach, hatte man den Eindruck, daß sie in zwei verschiedene Richtungen fortgehen wollte. Aber niemand konnte Fische besser ausnehmen als sie.
Angua seufzte erneut. Sie kannte das Syndrom. Die Männer
behaupteten,
daß sie nach einer Seelenfreundin und Gefährtin suchten, aber früher oder später standen auf der Wunschliste auch seidene Haut und große, feste Brüste.
Karotte bildete die einzige Ausnahme. Das war ein Aspekt seines Wesens, über den man sich fast…
ärgern
konnte. Angua vermutete, daß er nicht einmal enttäuscht gewesen wäre, wenn sie sich das Haar abschnitt oder einen Bart wachsen ließ. Er nahm solche Dinge durchaus zur Kenntnis, aber sie schienen ihm
gleichgültig
zu sein, und eine solche Einstellung fand Angua aus irgendeinem Grund entnervend.
»Ich kann dir nur einen Tip geben«, sagte sie. »Frauen fühlen sich oft zu Männern hingezogen, die sie zum Lachen bringen.«
Nobbys Miene erhellte sich. »Wirklich? Damit sollte ich keine Probleme haben.«
»Gut.«
»Die Leute lachen dauernd über mich.«
Weit oben achtete Ostie Brunt nicht auf den Regen, der ihn bereits bis auf die Haut durchnäßt hatte. Er prüfte das Ölzeug, das den Bogen schützte, und bereitete sich dann auf das lange Warten vor.
Regen war der Freund von Polizisten. In dieser Nacht fanden alle Verbrechen zu Hause statt.
Mumm stand im Windschatten eines Springbrunnens auf dem Hiergibt’salles-Platz. Schon seit Jahren funktionierte die Fontäne nicht mehr, aber er wurde trotzdem so naß, als wäre sie in voller Aktion. Nie zuvor hatte er echten horizontalen Regen erlebt.
Weit und breit war niemand zu sehen. Der Regen marschierte wie… eine Armee über den Hiergibt’salles-Platz…
Dieses Bild stammte aus seiner Kindheit. Seltsam, wie solche Dinge plötzlich aus den dunklen Ecken des Gehirns hervorsprangen.
Regentropfen, die auf Wasser fielen…
Ah ja… Als Junge hatte er sich vorgestellt, das Prasseln in den Rinnsteinen würde von Soldaten hervorgerufen. Von Millionen Soldaten. Und die vorbeischwimmenden Blasen waren Reiter.
Mumm erinnerte sich nicht daran, womit er damals den gelegentlich vorbeitreibenden toten Hund verglichen hatte. Vielleicht mit einer Belagerungswaffe.
Wasser gurgelte an seinen Stiefeln vorbei und tropfte von seinem Umhang. Als er versuchte, sich eine Zigarre anzuzünden, blies der Wind das Streichholz aus, und der vom Helm herabströmende Regen durchnäßte die Zigarre.
Mumm lächelte.
Er wurde – vorübergehend – zu einem glücklichen Mann. Er war allein, Kälte und Nässe ausgesetzt, um drei Uhr in einer stürmischen Nacht. Einige der besten Nächte seines Lebens hatte er auf diese Weise verbracht. Bei solchen Gelegenheiten konnte man die Schultern
so
hochziehen und den Kopf
so
nach vorn beugen, um zu einer kleinen Insel der Wärme und des Friedens zu werden, während der Regen auf den Helm prasselte und die Gedanken dahintrieben, die Welt zu
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