Fliegende Fetzen
vergeblich bemühen muß.«
»Oh, hallo, Herr Wazir«, grüßte Karotte, der hinter Mumm erschien. »Hast du die Mitteilung über das Buch bekommen?«
Es folgte eine jener Pausen, die immer dann entstehen, wenn alle Anwesenden ihre Gesichter neu programmieren müssen.
Schließlich fragte Mumm: »Was?«
»Herr Wazir verkauft Bücher in der Schlingestraße«, erklärte Karotte. »Ich habe ihn um einige Bücher über Klatsch gebeten, und er gab mir unter anderem eins mit dem Titel
Die parfümierte Zuwendung oder: Garten der Freuden.
Ich dachte mir nichts dabei, immerhin haben die Klatschianer den Garten erfunden, deshalb erwartete ich interessante kulturelle Einblicke. Ich hoffte darauf, die klatschianische Denkweise besser zu verstehen. Einblicke bekam ich tatsächlich, aber nicht in Gärten, sondern…äh…« Er errötete.
»Ja, ja, schon gut, du kannst das Buch zurückbringen, wann du möchtest«, sagte Herr Wazir, der ein wenig die Orientierung verloren zu haben schien.
»Ich dachte nur, daß du Bescheid wissen solltest, für den Fall, daß du… ich meine… für den Fall, daß du das eine oder andere Exemplar verkauft hast. So ein Buch könnte leicht zu beeindruckende Leute… äh… schockieren…«
»Ja, gut…«
»Korporal Angua war so schockiert, daß sie gar nicht mehr zu lachen aufhören wollte«, fügte Karotte hinzu.
»Ich sorge dafür, daß dir so schnell wie möglich der Kaufpreis erstattet wird«, sagte Herr Wazir. Der Ärger kehrte in seine Miene zurück, und er zielte damit auf Mumm.
»Derzeit sind Bücher unwichtig! Wir verlangen die unverzügliche Freilassung unserer Landsleute!«
»Er vielleicht meint jemand anders?« fragte Detritus. »Die Tür der Goriffs nicht abgeschlossen ist, und sie haben saubere Decken.«
»Du hast es gehört«, wandte sich Mumm an Wazir. »Sie sind unsere Gäste.«
»In den Zellen!« ereiferte sich Herr Wazir und genoß das letzte Wort.
»Sie können jederzeit gehen«, sagte Mumm.
»Das dürfte
jetzt
der Fall sein.« Wazir war offenbar davon überzeugt, daß nur sein mutiges Eingreifen offiziell sanktioniertes Blutvergießen verhindert hatte. »Du kannst sicher sein, daß der Patrizier von dieser Sache erfahren wird!«
»Er erfährt ohnehin alles«, entgegnete Mumm. »Aber wenn uns die Goriffs jetzt verlassen… wer beschützt sie dann?«
»Wir! Ihre Landsleute!«
»Und wie?«
Wazir nahm fast Haltung an. »Mit Waffengewalt, wenn das notwendig werden sollte.«
»Oh,
gut
«, sagte Mumm. »Dann gibt es in der Stadt bald
zwei
Mobs…«
»Bimmel-bimmel-bamm!«
»
Verdammt
!« Mumm klopfte auf seine Tasche. »Ich will
nicht
wissen, daß ich keine Termine habe!«
»Du hast einen um elf Uhr abends«, sagte der Disorganizer. »In der Rattenkammer des Palastes.«
»Du hast sie ja nicht mehr alle.«
»Gleichfalls.«
»Und sei still.«
»Ich wollte nur hilfsbereit sein.«
»Halt die Klappe.« Mumm richtete seinen Blick wieder auf den klatschianischen Buchhändler.
»Wenn die Goriffs dich begleiten möchten, Herr Wazir – wir werden sie nicht aufhalten.«
»Aha! Wag es bloß nicht!«
Mumm sagte sich, daß auch ein Klatschianer ein aufgeblasener Unruhestifter sein konnte. Aber er fühlte sich beklommen bei dieser Erkenntnis, wie jemand, der dicht am Rand eines tiefen Abgrunds entlangging.
»Feldwebel Colon?«
»Ja, Herr Kommandeur?«
»Bitte kümmere dich darum.«
»Ja, Herr Kommandeur.«
»Auf diplomatische Weise.«
»In Ordnung, Herr Kommandeur.« Colon klopfte sich an den Nasenflügel. »Ist dies Politik, Herr Kommandeur?«
»Äh… geh jetzt und hol die Goriffs. Sie können…« Mumm hob die Hand und winkte vage. »Sie können gehen, wohin es ihnen beliebt.«
Er drehte sich um und ging die Treppe hinauf.
»Jemand muß die Rechte meiner Landsleute verteidigen!« rief Wazir.
Die anderen hörten, wie Mumm auf halbem Weg nach oben stehenblieb. Ein oder zwei Sekunden knarrte eine hölzerne Stufe unter seinem Gewicht. Dann setzte er seinen Weg fort, und die anwesenden Wächter ließen langsam den angehaltenen Atem entweichen.
Mumm schloß die Tür seines Büros hinter sich.
Politik!
Er nahm Platz und kramte in den Papieren. Er hielt es für viel einfacher, über Verbrechen nachzudenken. Ein gutes, ehrliches Verbrechen war ihm jederzeit lieber.
Er versuchte, sich vom Rest der Welt zu trennen.
Jemand hatte Schneetreiben Schuppert enthauptet. Das war
Tatsache.
Ein Unfall beim Rasieren kam als Erklärung ebensowenig in Frage wie ein ungewöhnlich
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