Fliegende Fetzen
gut drauf, nicht
wahr?« sagte er. »Ich muß mich dabei nicht einmal anstrengen.«
»Bemerkenswert«, kommentierte der Patrizier.
Der Esel schrie erneut, und es klang recht zornig.
»Allerdings hat man sie alle weggebracht, weil sie für den Krieg benö-
tigt werden«, erklang erneut eine Stimme.
Ein Lehmziegel zerplatzte nicht weit entfernt auf dem Boden.
»So unruhig, wie der Esel dort oben ist… Vermutlich dauert es gar
nicht mehr lange, bis er herunterfäl t.«
»Vielleicht könnte ich die Eselin dazu bringen, wieder herunterzu-
kommen«, sagte der Patrizier.
»Ausgeschlossen, Offendi. Auf der Treppe kommst du nicht an dem
Tier vorbei. Du kannst es nicht umdrehen, und es weigert sich bestimmt,
rückwärts die Treppe hinunterzugehen.«
»Ich werde über die Situation nachdenken«, sagte Lord Vetinari.
Er suchte noch einmal die Taverne auf, und kurze Zeit später kehrte er
zurück. Die anderen beobachteten, wie er den Turm betrat und die
schmale Treppe hinaufging.
»Es hat keinen Zweck«, sagte ein Mann hinter Colon.
Nach einer Weile verstummte der Esel.
»Das Tier kann sich nicht umdrehen«, fuhr der Experte für Esel-in-
Minaretten fort. »Dazu reicht der Platz nicht aus. Und kein Esel geht im
Dunkeln rückwärts eine Treppe hinunter. Das ist al gemein bekannt.«
»Es gibt überall einen Alleswisser, nicht wahr, Beti?« fragte Colon.
»Ja, überall.«
Stille dehnte sich im Turm aus. Die Zuschauer warteten gespannt.
»Ich meine, wenn es drei oder vier Männer bis ganz nach oben schaf-
fen würden, und das geht nicht, weil ihnen der Esel den Weg versperrt,
und wenn jeder von ihnen ein Bein des Tiers nähme, ohne sich darum zu
scheren, getreten und gebissen zu werden…«
»Also gut, bitte weicht vom Turm zurück.«
Die Wächter näherten sich, und einer von ihnen trug einen zusammen-
gerollten Teppich.
»Na los, macht Platz, wir brauchen mehr Platz…«
»Ich höre das Pochen von Hufen«, sagte jemand.
»Oh, ja, du glaubst wohl, daß der Mann mit dem Fes den Esel herun-
terführt, wie?«
»Ich höre es ebenfal s«, ließ sich Colon vernehmen.
Alle Blicke richteten sich auf die Tür.
Lord Vetinari kam zum Vorschein, in der einen Hand eine Leine.
»Na schön, es ist also eine Leine«, ertönte die kritische Stimme hinter
Colon. »Und was das Pochen betrifft… Vermutlich hat er mit zwei Ko-
kosnüssen geklopft.«
»Die er zufälligerweise im Turm gefunden hat?«
»Er hatte sie natürlich dabei.«
»Ach, er läuft also dauernd mit irgendwelchen Kokosnüssen herum?«
»Der Esel läßt sich nicht drehen, weil… Na schön, das ist also ein aus-
gestopfter Eselskopf…«
»Die Ohren bewegen sich!«
»Weil er an Fäden zieht, an Fäden… Na schön, es ist also ein Esel, zu-
gegeben, aber es ist nicht der gleiche Esel. Er hatte ihn in einer verbor-
genen Tasche… Du brauchst mich gar nicht so anzustarren. Ich habe
solche Tricks mit Tauben gesehen…«
Dann schwieg selbst der Ungläubige.
»Esel, Minarett«, sagte Lord Vetinari. »Minarett, Esel.«
»Einfach so?« fragte ein Wächter. »Es war ein Trick, nicht wahr?«
»Natürlich«, erwiderte der Patrizier.
»Ich wußte, daß es ein Trick war.«
»Ja, ein Trick, da hast du völlig recht«, bestätigte Lord Vetinari.
»Na schön. Und wie hast du es angestellt?«
»Du durchschaust den Trick also nicht?«
»Äh… du hattest einen aufblasbaren Esel dabei…«
»Kannst du mir einen Grund dafür nennen, warum ich einen aufblas-
baren Esel mit mir tragen sol te?«
»Nun, du…«
»Und zwar einen Grund, den du deiner Mutter erklären könntest, ohne
dabei zu erröten?«
»Wenn du es so ausdrückst…«
»Ist doch ganz einfach«, sagte Al-Schnappler. »In einer Wand des
Turms ist eine Art Geheimfach.«
»Ihr seht das völlig falsch. Es ist nur das Trugbild eines Esels. Zugegeben, das Trugbild wirkt ziemlich echt, aber…«
Die Hälfte der Leute umringte den Esel, die andere Hälfte drängte sich
im Eingang des Turms zusammen, um die dortigen Wände nach einem
Geheimfach abzusuchen.
»Ich glaube, wir sollten jetzt gehen, Al und Beti«, sagte Lord Vetinari
hinter Colon. »Durch diese kleine Gasse hier. Und wenn wir die nächste
Ecke hinter uns gebracht haben, rennen wir los.«
»Warum denn rennen?« fragte Beti.
»Weil ich gerade den fliegenden Teppich gestohlen habe.«
Mumm hatte bereits die Orientierung verloren. Die Sonne schien natür-
lich, aber sie wies nur die Richtung. Er spürte ihr Brennen
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