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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf einer Gesichtshälfte.
    Und das Kamel schwankte von einer Seite zur anderen. Es gab keine
    Möglichkeit, die Entfernung zu messen – es sei denn, man nahm Hä-
    morrhoiden zu Hilfe.
    Ich trage eine Augenbinde und sitze auf einem Kamel, das ein D’reg
    reitet, ein Angehöriger des Volkes, das angeblich überhaupt kein Ver-
    trauen verdient. Aber ich bin fast sicher, daß er mich nicht umbringen
    wird.
    »Jetzt kannst du es mir ruhig sagen«, brummte Mumm, als er sich er-
    neut von einer Seite zur anderen neigte. »Warum heißt er 71-Stunden-
    Ahmed?«
    »Er hat einen Mann getötet«, sagte Jabbar.
    »Und dagegen haben D’regs etwas einzuwenden?«
    »Im Zelt des Mannes! Nachdem er fast drei Tage lang sein Gast gewe-
    sen war! Wenn er nur eine weitere Stunde gewartet hätte…«
    »Oh, ich verstehe. Schlechte Manieren, ganz klar. Hatte das Opfer irgendeine Schuld auf sich geladen, daß es sich so etwas verdient hatte?«
    »Nein! Obwohl…«
    »Ja?«
    »Er hat El-Ysa umgebracht.« Der Tonfal des D’reg wies darauf hin,
    daß das kaum mildernde Umstände waren. Vermutlich erwähnte er es
    allein der Vollständigkeit halber.
    »Wer war sie?«
    »El-Ysa war ein Dorf. Der Mann vergiftete einen Brunnen. Es gab ei-
    nen Streit über Religion«, fuhr Jabbar fort. »Eins führte zum anderen.
    Aber trotzdem: So gegen die Tradition zu verstoßen…«
    »Ja, mir ist klar, wie schrecklich das ist. Fast… unhöflich.«
    »Die Stunde hatte große Bedeutung. Einige Dinge sind unentschuld-
    bar.«
    »In diesem Punkt hast du zweifel os recht.«
    Am späten Nachmittag durfte Mumm die Augenbinde abnehmen.
    Schwarze Felsen ragten aus dem Sand; der Wind hatte ihnen seltsame
    Formen verliehen. Mumm glaubte, nie einen trostloseren Ort gesehen zu
    haben.
    »Einst soll es hier grün gewesen sein«, sagte Jabbar. »Damals, als es ge-
    nug Wasser gab.«
    »Was geschah dann?«
    »Der Wind wehte aus einer anderen Richtung.«
    Bei Sonnenuntergang erreichten sie ein Wadi zwischen weiteren vom
    Wind abgescheuerten Felsen. Die Schatten wurden länger, was den Mul-
    den und Kerben im Gestein mehr Tiefe gab – sie erweckten den Ein-
    druck, uralt zu sein.
    »Das sind Gebäude, nicht wahr?« fragte Mumm.
    »Einst gab es hier eine Stadt, vor langer Zeit. Wußtest du das?«
    »Woher sollte ich das wissen?«
    »Leute aus deinem Volk haben sie gebaut. Und ihr Name lautete Takti-
    kum. Nach einem eurer Krieger.«
    Mumm sah zu den eingestürzten Mauern und geborstenen Säulen.
    »Eine Stadt wurde nach ihm benannt…«, murmelte er wie im Selbstge-
    spräch.
    Jabbar gab ihm einen Stoß. »Ahmed beobachtet dich«, sagte er.
    »Ich sehe ihn nirgends.«
    »Natürlich nicht. Steig ab. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Viel eicht in deinem Paradies – wie auch immer es beschaffen sein mag.«
    »Ja, ja…«
    Jabbar drehte sein Kamel und verschwand in der Wüste. Sein Kamel
    schien dabei schneller zu laufen als vorher.
    Eine Zeitlang saß Mumm auf einem Felsen, hörte nur das leise Zischen
    des Winds und das Krächzen eines Vogels in der Ferne.
    Er glaubte, das Pochen seines eigenen Herzens zu vernehmen.
    »Bimmel… bimmel… bamm…« Der Disorganizer klang besorgt und
    unsicher.
    Mumm seufzte. »Ja? Begegnung mit 71-Stunden-Ahmed?«
    »Äh… nein«, erwiderte der Dämon. »Äh… klatschianische Flotte ge-
    sichtet… äh…«
    »Schiffe der Wüste, wie?«
    »Äh… piep… Fehlernummer 746, divergierende temporale Instabili-
    tät…«
    Mumm schüttelte den Kasten. »Stimmt was nicht mit dir?« fragte er.
    »Nennst mir noch immer die Termine von jemand anderem, du dummes
    Ding!«
    »Äh… die Termine betreffen einen gewissen Kommandeur Samuel
    Mumm…«
    »Das bin ich!«
    »Welcher von euch beiden bist du?« fragte der Dämon.
    »Wie bitte?«
    »… piep…«
    Der Disorganizer lehnte es ab, weitere Auskünfte zu geben. Mumm
    spielte mit dem Gedanken, ihn einfach wegzuwerfen, aber Sybil wäre
    sicher verletzt gewesen, wenn sie es herausgefunden hätte. Er verstaute
    ihn wieder in der Tasche und versuchte, sich erneut auf die Umgebung
    zu konzentrieren.
    Er saß auf etwas, das einst Teil einer Säule gewesen sein mochte. Ähn-
    lich beschaffene Felsbrocken lagen einige Meter entfernt, und wenige
    Sekunden später stellte er fest: Was er bisher für einen in die Länge ge-
    zogenen Geröllhaufen gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Rest einer
    Mauer. Er ging in die entsprechende Richtung, und das Geräusch seiner
    Schritte hal te dumpf wider. Ihm wurde

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