Fliegende Fetzen
fliegenden Teppich.
»›Der Ort, wo die Sonne nie scheinet‹?« übersetzte der Patrizier.
Wieder war es still. Colon versuchte, niemanden anzusehen.
»Gibt es einen Ort namens Gebra?« fragte Nobby verdrießlich.
»Ja, Be… Korporal. Einen solchen Ort gibt es wirklich.«
»Die Soldaten sind dort. Natürlich habt ihr dafür nur das Wort einer
Frau.«
»Gute Arbeit, Korporal. Wir fliegen an der Küste entlang.«
Lord Vetinari entspannte sich. In seinem sehr ereignisreichen Leben
hatte er nie Personen wie Nobby und Colon kennengelernt. Sie redeten
die ganze Zeit, und doch haftete ihnen fast etwas… Ruhiges an.
Aufmerksam beobachtete er den staubigen Horizont, während der
Teppich dem Verlauf der Küste folgte. Unter dem Arm des Patriziers
steckte der metal ene Zylinder, den Leonard für ihn angefertigt hatte.
Drastische Zeiten erforderten drastische Maßnahmen.
»Herr?« fragte Colon. Der Teppich dämpfte seine Stimme.
»Ja, Feldwebel?«
»Ich muß es wissen… Wie…äh… wie ist es dir gelungen, den Esel
nach unten zu bekommen?«
»Mit Überredungskunst, Feldwebel.«
»Was, allein mit Worten?«
»Und mit einem Stock.«
»Oh, ich wußte es…«
»Um einen Esel von einem Minarett zu holen«, erklärte der Patrizier
und blickte dabei über die klatschianische Wüste, »muß man den Teil des
Esels finden, der unbedingt nach unten will.«
Der Wind ließ nach, und in der Ferne verklang das Krächzen des Vogels.
Mumm hörte nur noch ein leises Zischen und Knistern von den nächtli-
chen Bewohnern der Wüste.
»Ich bin sehr beeindruckt, Sir Samuel«, ertönte Ahmeds Stimme.
Mumm atmete tief durch. »Du hast mich wirklich getäuscht«, sagte er.
»›Mögen deine Lenden Früchte tragen.‹ Nicht übel. Ich hielt dich tatsäch-
lich für…« Er unterbrach sich.
»Für einen Kameltreiber mit einem Handtuch auf dem Kopf?« beende-
te Ahmed den Satz. »Meine Güte. Und dabei hast du bisher gute Arbeit
geleistet, Sir Samuel. Auch der Prinz war beeindruckt.«
»Oh, ich bitte dich. Deine mehrdeutigen Bemerkungen über Melonen…
Konnte ich sie anders deuten?«
»Sei unbesorgt, Sir Samuel. Ich fühle mich von all dem geehrt. Übri-
gens kannst du dich jetzt umdrehen. Es käme mir nicht in den Sinn, dir
ein Leid zuzufügen. Es sei denn, du stellst etwas… Törichtes an.«
Mumm drehte sich um und erkannte eine schemenhafte Gestalt.
»Du hast diesen Ort bewundert«, sagte Ahmed. »Taktikus’ Männer er-
bauten die Stadt, als er versuchte, Klatsch zu erobern. Nach heutigen
Maßstäben wäre es natürlich keine ›Stadt‹. Sie war eine Botschaft: ›Hier
sind wir, und hier bleiben wir.‹ Und dann wehte der Wind aus einer an-
deren Richtung.«
»Du hast Schneetreiben Schuppert umgebracht, nicht wahr?«
»Es war eine Hinrichtung. Ich kann dir das Geständnis zeigen, das er
vorher unterschrieben hat.«
»Aus freiem Willen?«
»Mehr oder weniger.«
»Wie bitte?«
»Nun, ich erklärte ihm, welche Alternativen es statt der Unterzeich-
nung des Geständnisses gab. Freundlicherweise habe ich den Notizblock
für dich zurückgelassen. Um dein Interesse wachzuhalten. Und sieh mich
nicht so an, Sir Samuel. Ich brauchte dich.«
»Woher willst du wissen, auf welche Weise ich dich ansehe?«
»Ich kann es mir vorstellen. Wie dem auch sei: Die Assassinengilde hat-
te einen Vertrag für ihn. Und zufälligerweise bin ich Gildenmitglied.«
»Du?« Das Wort verließ Mumms Mund, bevor er es zurückhalten
konnte. Und dann dachte er: Warum nicht? Man schickte Jungen tausend
Meilen weit, damit sie die Schule der Assassinengilde besuchten…
»Oh, ja. Die besten Jahre meines Lebens. So heißt es jedenfal s. Ich
wohnte im Viper-Haus. Zur Schule! Zur Schule! Zur Schule!« Ahmed
seufzte wie ein Prinz und spuckte wie ein Kameltreiber. »Wenn ich die
Augen schließe… dann kann ich mich an die besondere Vanillesoße er-
innern, die wir montags bekamen. Meine Güte, es regen sich auch andere
Erinnerungen… Ganz deutlich sehe ich die nassen Straßen vor mir. Ver-
kauft Herr Schnapper in der Sirupminenstraße noch immer seine gräßli-
chen Würstchen?«
»Ja.«
»Es ist der gleiche alte Schnapper, wie?«
»Und es sind die gleichen Würstchen.«
»Einmal probiert, nie vergessen.«
»Stimmt.«
»Beweg dich nicht so schnell, Sir Samuel. Sonst wäre ich gezwungen,
dich von deinem Kopf zu trennen. Du vertraust mir nicht, und ich ver-
traue dir nicht.«
»Warum hast du mich
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