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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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anderer Leute zu sehen.
    Der Weg führte über dunkle Treppen und durch muffige Korridore.
    Gelegentlich vollführte der Patrizier Bewegungen, die keinen unmittelba-
    ren Sinn zu haben schienen. Im Vorbeigehen berührte er hier und dort die Wand und schien dabei überhaupt keinen bewußten Gedanken daran zu
    vergeuden. In einer mit steinernen Fliesen ausgelegten Passage – dort
    drang Licht durch ein kleines Fenster, das bis auf die optimistischen
    Fliegen alle vergessen hatten – schien er Himmel-und-Hölle zu spielen.
    Sein schwarzer Umhang wogte, und gelegentlich blitzten dünne weiße
    Waden auf, als er von einer Fliese zur nächsten hüpfte.
    Diese Aktivitäten schienen überhaupt nichts zu bewirken, denn spek-
    takuläre Ereignisse blieben aus. Schließlich erreichte er eine Tür, die er nicht ohne gewisse Vorsicht aufschloß.
    Beißender Rauch trieb durch die Luft hinter der Tür, und ein beständi-
    ges Pop-pop, das er schon im Gang gehört hatte, wurde jetzt lauter. Es verklang kurz, und dann knallte es. Ein Stück heißes Metal flog am Ohr
    des Patriziers vorbei und bohrte sich in die Wand.
    »Meine Güte«, ertönte eine Stimme im Qualm.
    Sie klang nicht in dem Sinne betrübt oder unglücklich. Eine solche
    Stimme paßte zu einem einschmeichelnd lieben Hündchen, das trotz der
    besten Bemühungen seines Herrn neben einem langsam größer werden-
    den feuchten Fleck auf dem Teppich saß.
    Als sich die Rauchwolken langsam auflösten, wurde eine Gestalt sicht-
    bar, die matt lächelte und sagte: »Diesmal waren es fünfzehn Sekunden,
    Exzellenz! Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Prinzip richtig
    ist.«
    Das war eine der Angewohnheiten des Leonard von Quirm: Er begann
    Gespräche nicht am Anfang, sondern in der Mitte. Er hielt jeden für
    einen interessierten Freund und ging davon aus, daß seine Besucher
    ebenso intelligent waren wie er selbst.
    Vetinari blickte auf einen kleinen Haufen aus verbogenem und ver-
    drehtem Metall.
    »Was war das, Leonard?« fragte er.
    »Eine experimentelle Vorrichtung für die Umwandlung chemischer
    Energie in Rotation«, erklärte Leonard von Quirm. »Das Problem be-
    steht darin, die kleinen Schießpulverkugeln mit genau der richtigen Ge-
    schwindigkeit in die Verbrennungskammer zu bringen, und zwar jeweils
    nur eine. Wenn zwei gleichzeitig zünden, bekommen wir einen externen
    Verbrennungsmotor.«
    »Und… äh… was ist der Zweck eines solchen Apparats?« fragte der
    Patrizier.
    »Ich glaube, er könnte das Pferd ersetzen«, erwiderte Leonard stolz.
    Beide starrten auf das deformierte Ding hinab.
    Nach einigem Nachdenken sagte Vetinari: »Einer der Vorteile von
    Pferden, auf den immer wieder hingewiesen wird, besteht darin, daß sie
    nur selten explodieren. Fast nie, meiner Erfahrung nach – sieht man
    einmal von dem bedauerlichen Zwischenfal während des heißen Som-
    mers vor einigen Jahren ab.« Er streckte die Hand aus, und mit behutsa-
    men Fingern zog er etwas aus dem Durcheinander: zwei Würfel, die aus
    weichem weißen Pelz bestanden und mit einem Faden verbunden waren.
    Punkte waren darauf.
    »Spielwürfel?« fragte Vetinari.
    Leonard lächelte verlegen. »Ja. Ich weiß nicht genau, warum ich sie
    dem Apparat hinzugefügt habe. Aus irgendeinem Grund habe ich ge-
    hofft, daß er dadurch besser funktioniert. Es war nur so eine Idee. Du
    weißt ja, wie das ist.«
    Lord Vetinari nickte. Er wußte es tatsächlich. Er wußte es sogar noch
    viel besser als Leonard von Quirm. Deshalb gab es nur einen Schlüssel
    für die Tür, und der befand sich in der Tasche des Patriziers. Der Mann
    war keineswegs ein Gefangener, es sei denn, man legte dumme, langwei-
    lige Maßstäbe an. Er schien sich gern in dieser hellen, luftigen Mansarde
    aufzuhalten: Immerhin bekam er so viel Holz, Papier, Holzkohlestifte
    und Farbe, wie er wol te, ohne für Kost und Logis bezahlen zu müssen.
    Außerdem konnte man jemanden wie Leonard von Quirm überhaupt
    nicht richtig einsperren. Es war höchstens möglich, seinen Körper hinter
    Schloß und Riegel unterzubringen. Allein die Götter wußten, wohin sei-
    ne Gedanken reisten. Zwar war er so intelligent, daß gelegentlich Klug-
    heit aus ihm tropfte, aber er konnte nicht einmal dann feststel en, woher
    der politische Wind wehte, wenn man ihn mit Segeln ausstattete.
    In Leonards unglaublichem Gehirn brodelte es die ganze Zeit wie in
    einer pral gefül ten Fritteuse auf der heißen Herdplatte des Lebens. Es
    ließ sich einfach nicht

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