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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Herr.«
    »Es könnte durchaus sein, daß die Entfernung zwischen dem Dach des
    Opernhauses und den Zielscheiben des Schießstandes ebenso groß ist
    wie die zwischen dem Vorwerk und der Stelle, an der Prinz Khufurah
    getroffen wurde.«
    »Ein sonderbarer Zufal , Herr.«
    Vetinari seufzte. »Und warum war Karotte in der Richtung aktiv?«
    »Nun, es ist komisch, Herr, aber neulich sprach er davon, jeder Bürger
    der Stadt sei verpflichtet, sich eine Stunde pro Tag im Bogenschießen zu
    üben. Der Gesetz stammt aus dem Jahr 1356 und wurde nie außer…«
    »Weißt du, warum ich Hauptmann Karotte eben fortgeschickt habe,
    Mumm?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Weil er sehr ehrlich ist, Mumm.«
    »Ja, Herr.«
    »Und weißt du auch, daß er zusammenzuckt, wenn er dich lügen hört?«
    »Wirklich, Herr?« Verdammt.
    »Ich ertrage es einfach nicht zu beobachten, wie der arme Junge dau-
    ernd das Gesicht verzieht, Mumm.«
    »Das ist sehr rücksichtsvoll von dir, Herr.«
    »Wo befand sich der zweite Bogenschütze, Mumm?«
    Verdammt! »Der zweite Bogenschütze, Herr?«
    »Hast du jemals den Wunsch verspürt, zur Bühne zu gehen, Mumm?«
    Im Augenblick wäre ich zu allem bereit, nur um dieses Zimmer zu ver-
    lassen, dachte Mumm.
    »Nein, Herr.«
    »Schade. Ich glaube, du bist ein großer Verlust für die Schauspielkunst.
    Wenn ich mich recht entsinne, hast du erwähnt, das Fenster sei wieder
    geschlossen worden.«
    »Ja, Herr.«
    »Indem man es mit Brettern vernagelt hat?«
    Mist. »Ja, Herr.«
    »Von außen?«
    Mist! »Ja, Herr.«
    »Ein sehr geschickter einzelner Bogenschütze.«
    Mumm verzichtete auf einen Kommentar. Vetinari setzte sich wieder
    an den Schreibtisch, preßte die Fingerspitzen gegeneinander, hob sie an
    die Lippen und musterte den Kommandeur.
    »Colon und Nobbs kümmern sich um den Fall? Im Ernst?«
    »Ja, Herr.«
    »Wenn ich beschlösse, dich nach dem Grund zu fragen… Würdest du
    dann vorgeben, mich nicht zu verstehen?«
    Echte Verwunderungsfalten bildeten sich auf Mumms Stirn. »Herr?«
    »Wenn du noch einmal in einem so dämlichen Tonfal ›Herr‹ sagst, be-
    kommst du Schwierigkeiten, das verspreche ich dir.«
    »Es sind gute Wächter, Herr.«
    »Allerdings gäbe es durchaus Grund, sie als einfal slos und stumpfsin-
    nig zu bezeichnen. Außerdem neigen sie dazu – wie sol ich es ausdrük-
    ken? –, die erste sich bietende Erklärung zu akzeptieren und dann ir-
    gendeine stille Ecke aufzusuchen, um in aller Ruhe zu qualmen. Es man-
    gelt ihnen an Vorstel ungskraft, und sie haben die Tendenz, sich nur die
    absolut notwendige Mühe zu geben, wenn möglich, weniger. Nun, bei
    solchen Leuten muß man mit voreiligen Schlüssen rechnen.«
    »Ich hoffe, du erhebst keine Vorwürfe gegen meine Männer, Herr.«
    »Man braucht gar keine Vorwürfe gegen Feldwebel Colon und Korpo-
    ral Nobbs zu erheben, Mumm – sie sind ein einziger Vorwurf.«
    »Herr?«
    »Und doch… Komplikationen können wir uns derzeit nicht leisten,
    Mumm. Ein dummer, naiver Einzeltäter, ganz offensichtlich überge-
    schnappt. Nun, es gibt viele Verrückte. Die ganze Sache ist ein bedauer-
    licher Zwischenfall.«
    »Ja, Herr.« Der Patrizier wirkte abgespannt, und Mumm sah Platz ge-
    nug für einen Hauch Anteilnahme.
    »Auch Fred und Nobby mögen keine Komplikationen, Herr.«
    »Wir brauchen einfache Antworten, Mumm.«
    »Herr. Fred und Nobby sind die Richtigen für Einfaches.«
    Der Patrizier wandte sich ab und blickte über die Stadt.
    »Ah«, sagte er leiser und ruhiger. »Einfache Männer, um die einfache
    Wahrheit zu sehen.«
    »So ist es, Herr.«
    »Du lernst schnell, Mumm.«
    »Ich weiß nicht, Herr.«
    »Und wenn sie die einfache Wahrheit gefunden haben, Mumm?«
    »Gegen die Wahrheit kann man nichts ausrichten, Herr.«
    »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man gegen al es etwas ausrich-
    ten kann, Mumm.«

    Als Mumm gegangen war, saß Lord Vetinari eine Zeitlang an seinem
    Schreibtisch und starrte ins Leere. Dann zog er eine Schublade auf, ent-
    nahm ihr einen Schlüssel, ging zur Wand und drückte dort auf eine ganz
    bestimmte Stelle.
    Ein Gegengewicht rasselte, und ein Teil der Wand öffnete sich.
    Der Patrizier ging mit langen, leichten Schritten durch den Geheim-
    gang. Hier und dort glühte etwas Licht am Rand jener kleinen Tafeln, die
    man beiseite schieben konnte, um durch die Augen eines Gemäldes zu
    blicken.
    Sie waren das Erbe eines früheren Herrschers. Vetinari benutzte sie
    nie. Es kam nicht darauf an, aus den Augen

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