Flieh solange du kannst
Badezimmer kam.
So verharrten sie einige Sekunden. Max kam nicht. Er schlief weiter. Aber als Preston Emma wieder umarmte und küssen wollte, versteifte sie sich. Wie auch immer es gekommen war, dass sie sich ihm hingegeben hatte, es war vorbei. Sie blieb verspannt und zurückhaltend, bewegte sich nur noch mechanisch und ohne Gefühl.
Vorbei, bevor es richtig begonnen hatte. Er hatte sie verloren.
Preston schloss die Augen, atmete tief ein und zwang sich, sie loszulassen. “Es ist schon spät”, sagte er, als er wieder sprechen konnte. “Du solltest jetzt schlafen.”
Dann verließ er das Zimmer und ging hinaus in die warme Sommernacht. Dort setzte er sich an den Rand des im Mondlicht glänzenden Swimmingpools.
Als die Tür ins Schloss fiel, sank Emma auf das Bett. Sie zitterte so stark, dass sie kaum noch stehen konnte. Was war da eben passiert? Gerade noch stand sie im Badezimmer vor dem Spiegel und machte sich Gedanken darüber, wie sie es überstehen konnte, von Preston als Objekt der Begierde missbraucht zu werden, und im nächsten Moment zerfloss sie förmlich unter seinen Liebkosungen.
Sie atmete tief ein, streckte sich auf dem Bett aus und starrte zur Decke empor. Da, wo seine Fingerkuppen sie berührt hatten, schien es auf ihrer Haut noch immer zu prickeln. Sie spürte noch ganz deutlich, wie es sich angefühlt hatte, als seine Hand ganz sanft ihre Wirbelsäule entlanggeglitten war. Dabei hatte sie damit gerechnet, dass er sie auffordern würde, sich aufs Bett zu legen, damit er sich nehmen konnte, was er begehrte. Aber seltsamerweise versuchte er sich zu beherrschen und nahm Rücksicht auf ihre Gedanken und Gefühle.
War das wirklich derselbe Mann, der sich tagsüber so schroff und abweisend verhielt? Der Mann, der sie wie eine Fuhre Holz ablud, um sie ihrem Schicksal zu überlassen?
Der eine Charakterzug passte jedenfalls nicht zum anderen. Aber das Telefonat erklärte vielleicht einiges. Was würde wohl mit ihr geschehen, wenn sie Max verlöre?
Die Möglichkeit, dass sie ihren Sohn an Manuel abtreten müsste oder ihm wegen seiner Krankheit etwas Schlimmes zustieß, bestand immer. Die Sorgen, die Emma sich ständig machte, brachen wieder durch. Sofort stand sie auf, ging ins Badezimmer und nahm ihren schlafenden Sohn in die Arme. Zum Glück schwitzte er nicht oder zeigte sonstige Zeichen von Unwohlsein.
Nachdem sie Max zu sich ins Bett genommen hatte, musste sie wieder an Preston denken. Sie hätte nie geglaubt, dass ein Mann so hingebungsvoll küssen und so wunderbar zärtlich sein konnte. Seine Lippen hatten sie nur so leicht berührt, als scheuten sie vor einem echten Kuss zurück. Er wollte sie nicht bedrängen, und gerade deshalb war es ihm gelungen, sie dazu zu bringen, sich ihm zuzuwenden und seine Küsse zu erwidern.
Sie lehnte sich zurück und legte einen Arm über die Augen. Erinnerte sich an Prestons beinahe schon andächtige Art, sie zu berühren, und bewunderte, dass es ihm gelungen war, die eigene Leidenschaft zu zügeln. Er hatte ihr das Gefühl von Sicherheit gegeben, sodass sie sich hingeben konnte. Er hatte sie nicht gezwungen, etwas geschehen zu lassen, was sie nicht selbst wollte. Seine Liebkosungen waren Einladungen gewesen, sich ihm anzuvertrauen. Und sie spürte jetzt noch, dass dieser Mann ihr das geben könnte, was sie bei Manuel gesucht, aber nicht gefunden hatte.
Beinahe wäre sie auf das verlockende Angebot eingegangen. Doch jetzt erleichterte es Emma, dass es nicht zum Äußersten gekommen war. Sie kannte Preston Holman kaum, und bald schon würden sie sich von ihm trennen und ihn nie mehr wiedersehen. Doch für einen kurzen Augenblick hatte es sich so angefühlt, als sehnte sie sich mehr nach der Berührung durch Prestons Hände als nach irgendetwas sonst.
Aber was bedeutete das alles?
Sie stand wieder auf, ging ans Fenster und zog die Vorhänge zur Seite. Dort draußen war er nirgends zu sehen. Und auch als sie Max um drei Uhr einem Bluttest unterziehen musste, fehlte immer noch jede Spur von ihm. Sie machte sich schon Sorgen, er könne womöglich in ein anders Motel gezogen sein, als sie ihn gegen vier Uhr kommen hörte.
Emma tat, als schliefe sie, während er im Zimmer herumging, obwohl sie die ganze Zeit hellwach gewesen war und ständig auf die Uhr geschaut hatte. Und nachgedacht. Aber was gab es schon groß nachzudenken? Als alleinstehende Mutter, die sich und ihr Kind vor einem gewalttätigen Ex-Freund in Sicherheit bringen musste, durfte sie sich
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