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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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nicht ihre Lieblingsfarbe – außerdem hielt sie es in ihrer Situation nicht für angebracht, besonders auffällig gekleidet herumzulaufen. “Ich dachte eigentlich eher an etwas Zurückhaltendes, vielleicht in Weiß. Oder Schwarz, falls Sie das haben. Schwarz würde zu meinen Sandalen passen.”
    “Konservative Farben also, ich weiß schon Bescheid.”
    So wie Ruby das Wort “konservativ” aussprach, klang es wie “todlangweilig”. Normalerweise hätte Emma sich darüber amüsiert, aber im Moment war sie viel zu aufgeregt, um sich über solche Kleinigkeiten Gedanken zu machen. Sie hörte praktisch, wie die Minuten tickten. Die Zeit verstrich unaufhaltsam. So wie es aussah, müsste sie den Weg ins Hotel im Dauerlauf zurücklegen.
    Sie zog die Shorts über ihren Badeanzug, schloss den Reißverschluss und knöpfte den Bund zu. Dann stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus. Ganz offensichtlich hatte sie abgenommen. Ein bisschen zu viel sogar. Aber immerhin passte die Shorts.
    Sie wollte sie gerade wieder ausziehen, als Ruby ihren Kopf durch den Vorhang steckte. Offenbar hielt sie die Privatsphäre ihrer Kundinnen für nicht so wichtig.
    “Wie wär’s mit diesem hier?”, fragte sie.
    Emma schaute sich das weiße ärmellose Tank-Top an, das Ruby ihr hinhielt. Es überraschte sie, dass die Verkäuferin etwas gefunden hatte, das ihr gefiel. Sie sah sich das Preisschild an. “Das ist aber leider nicht heruntergesetzt.”
    “Hören Sie, von den Sonderangeboten wird Ihnen sowieso nichts gefallen. Konservative Farben landen fast nie im Ausverkauf bei uns. Auch Westernmode nicht. Aber ich will lieber gar nicht erst davon anfangen, was die Leute hier in der Gegend für seltsame Vorlieben haben.”
    Die Bluse sollte 35 Dollar kosten, viel mehr, als Emma ausgeben wollte. Aber in diesem Augenblick war sie viel zu nervös, um sich Gedanken über den Preis zu machen.
    “Also gut, ich nehme sie.”
    “Aber vorher sollten Sie sie anprobieren”, drängte Ruby.
    Damit drehte sich die Verkäuferin wieder um, aber Emma hielt sie am Arm fest. Sie wollte schon sagen, dass es nicht nötig sei, die Bluse anzuprobieren und dass sie die Rechnung für alles wünschte. Aber genau in diesem Moment vernahm sie plötzlich eine Stimme, von der sie gehofft hatte, sie nie mehr in ihrem Leben zu hören. Emma erstarrte, die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    “Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht diese Frau hier gesehen?”
    Manuel. Emma war sich ganz sicher. Ganz nah. Hier im Laden.
    Eine zweite Verkäuferin antwortete: “Ich glaube, Ruby hat sie bedient.”
    Panik ergriff Emma. Ruby runzelte verwundert die Stirn. Aber als Emmas Finger sich immer heftiger in ihren Oberarm bohrten, wandte sie sich neugierig um.
    “Bitte, er darf nicht wissen, dass ich hier bin”, flüsterte Emma panisch. “Bitte!”
    Ruby stand im Eingang der Umkleidekabine und zwinkerte ihr zu. Emma wollte ihr erklären, was los war, erklären, dass es kein Scherz, sondern bitterer Ernst war, aber sie konnte nicht weitersprechen, denn sie hörte Manuel kommen. Als er wieder zu sprechen anhob, zuckte sie vor Angst zusammen, denn er stand jetzt ganz in der Nähe der Umkleidekabinen.
    “Entschuldigen Sie bitte, sind Sie Ruby?”, fragte er.
    Ruby zog den Vorhang zu. In der Kabine musste Emma sich gegen die Wand lehnen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ihr schwindelte.
    Ruby trat einige Schritte in den Verkaufsraum. “Ja, bitte?”
    “Ihre Kollegin meinte, dass Sie diese Frau hier vor ein paar Minuten noch bedient haben.”
    Es gab eine lange Pause. Vermutlich sah Ruby sich das Bild an. “Ja”, sagte sie dann, “ich habe sie bedient. Ist das Ihre Frau?”
    “Ja.”
    “Waren Sie hier verabredet?”
    “Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass sie mich hier erwartet. Aber ich muss unbedingt mit ihr sprechen. Es ist sehr wichtig, vielleicht sogar eine Sache von Leben und Tod.”
    Emmas Herz klopfte ihr bis zum Hals, sie zitterte am ganzen Körper. Manuel konnte so charmant und überzeugend sein. Normalerweise glaubten die Leute ihm, was er sagte. Eine Sache von Leben und Tod. Ob Ruby ihm das abnahm?
    “Von wessen Leben oder Tod sprechen wir denn eigentlich?”, fragte Ruby forsch.
    Manuel senkte die Stimme, wie er es immer tat, wenn er seinem Gesprächspartner ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit vermitteln wollte. “Von dem unseres Sohnes.”
    “Oh, Sie haben einen Sohn?”
    “Ja.”
    “Aber ich habe keinen Jungen bei ihr gesehen.”
    “Wenn

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