Flieh solange du kannst
hat mehr mit Selbstsucht zu tun als mit Liebe.”
“Wahrscheinlich hast du recht. Für Manuel sind Äußerlichkeiten sehr wichtig. Er möchte unbedingt als gut aussehend, intelligent, erfolgreich und … perfekt wahrgenommen werden. Er wollte, dass ich perfekt bin, und Max sollte es auch sein.”
Kaum vorstellbar, dass es an ihr oder ihrem Sohn etwas auszusetzen gäbe. “Aber warum hat er dich nicht geheiratet und Max als seinen Sohn angenommen?”
“Das habe ich dir doch schon gesagt. Seine Familie war dagegen.”
“Es muss aber noch mehr Gründe dafür geben.”
“Es liegt vor allem an seiner Mutter. Sie wacht sehr eifersüchtig über ihre Söhne, und vor allem über Manuel. Sie ist mit seinem Vater verheiratet und hat sein ganzes Leben unter Kontrolle. Und aus genau diesem Grund verachtet sie ihren Mann. Manuel ist stärker als sein Vater, er ähnelt seiner Mutter. Sie bewundert ihn, weil er alles hat, was sie an einem Mann liebt.”
“Das klingt nach sehr komplizierten emotionalen Verwicklungen.”
“Es ist auch sehr kompliziert. Ich weiß ganz genau, dass sie mich vom ersten Moment an gehasst hat. Sie erträgt es nicht, dass eine andere Frau sich zwischen sie und Manuel drängt. Ich glaube sie fürchtet, dass er sich zu sehr um mich sorgen könnte. Und Max lehnt sie ab, weil sie glaubt, ich wolle über unseren gemeinsamen Sohn mehr Einfluss auf ihren geliebten Manuel ausüben. Also hat sie Manuel Schuldkomplexe eingeredet, weil er sich keine Frau mit dem gleichen Hintergrund wie seine Familie gesucht hat. Immer wieder wirft sie ihm vor, er sei nicht stolz auf seine Familie und würde ihr Erbe beschmutzen. Und natürlich hat sie an allem, was Max und ich tun, etwas auszusetzen.”
“Aber Max ist doch ihr Enkel.”
“Für sie ist er einfach nur ein Anhängsel von mir. Ein Rivale. Sie hat uns immer wieder deutlich zu verstehen gegeben, dass wir nicht gut genug für Manuel sind, und sie hat auch versucht, ihn davon zu überzeugen. Mit jeder anderen Frau wäre sie natürlich auch nicht einverstanden, aber das erkennt Manuel nicht.”
“Also ist sie genauso egoistisch wie er”, sagte Preston gegen die Bar gelehnt. “Das hört sich an, als würde sich alles nur um ihn drehen.”
“So war es ja nicht immer. Aber durch den Einfluss seiner Mutter sind die Eigenschaften, die ich einmal an ihm bewundert habe, seine Durchsetzungsfähigkeit und sein Ehrgeiz, völlig aus dem Ruder gelaufen. Jetzt übertreibt er alles bis zum Exzess, und alle seine guten Eigenschaften sind verschwunden. Und wenn Max erst einmal älter geworden ist, wird Manuel ihn sicher als Waffe gegen mich verwenden.”
“Aber warum will er dich dann dazu zwingen, bei ihm zu bleiben?”, fragte Preston. “Wenn du ihn verlässt, ist das Problem in den Augen seiner Mutter doch gelöst.”
“So wie er es sieht, gehöre ich ihm, genauso wie seine Kleider, sein Auto oder sein Haus. Er glaubt nicht, dass ich das Recht habe, einfach aus seinem Leben zu verschwinden, wenn ich es will.”
“Ich weiß ja, dass der Mann nicht normal ist, aber wie kann er …”
“Er ist besessen von dieser Idee, er will mich besitzen, er kennt nur den Drang zu erobern und zu behalten”, unterbrach sie ihn.
Also ist er ganz einfach ein Irrer, dachte Preston, und wenn ich mich in seine Angelegenheiten einmische, bringe ich mich auch noch in Gefahr. Was für ein guter Grund, seine noch immer viel zu aufgewühlten Gefühle für Emma abzuwürgen. Nur leider funktionierte es nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass sein Selbsterhaltungstrieb nicht mehr besonders gut reagierte. Es konnte natürlich auch bedeuten, dass Emma ihm inzwischen viel mehr bedeutete, als er zugeben wollte. “Und du hast dich zu diesem Kerl hingezogen gefühlt, weil er so ehrgeizig war?”
“Das war doch nur ein Grund. Als ich ihn kennengelernt habe, war er noch ganz anders.” Anmutig strich sie sich mit den Fingern durch die Haare, die glatt und von Morgenlicht angestrahlt auf ihre wohlgeformten Schultern fielen. “Am Anfang unserer Beziehung lebte er noch von seiner Familie getrennt. Er war jünger und viel flexibler. Wir sind zusammen zur Uni gegangen und haben alles Mögliche unternommen, wir hatten Spaß miteinander, verliebten uns. Aber als wir nach San Diego zogen, fing er an im Geschäft seiner Familie zu arbeiten. Und von da an hat er sich dann sehr verändert.”
“Was macht seine Familie denn für Geschäfte?”, fragte Preston und erwartete eine Antwort wie: Sie
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