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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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unglaublich.
    Preston wollte nicht mehr darüber nachdenken, aber die Bilder von ihrem Gespräch auf dem Golfplatz und die Worte, die dabei gefallen waren, gingen ihm nicht aus dem Sinn.
    Als sie am nächsten Loch ankamen, suchte Preston nach dem geeigneten Schläger und sagte dabei: “Du hast mir doch die Briefe von den Patienten gezeigt, die sich bei dir für die gute Behandlung bedanken. Das beweist doch, dass du ein guter Arzt bist.”
    Vincent nickte. “Ja, ich habe damals auch einem kleinen Mädchen das Leben gerettet.”
    “Wirklich?”
    “Wenn ein anderer sie behandelt hätte, wäre sie wahrscheinlich gestorben.”
    “Wie das?”
    Vincent konnte seinen Stolz kaum verbergen. “Es gab sogar einen großen Artikel in der Zeitung darüber.”
    “Na bitte, da siehst du es.” Sorgsam legte Preston sich den Ball zurecht und stieß ihn geschickt in die unmittelbare Nähe des Golflochs.
    “Nicht schlecht”, kommentierte Vincent.
    Danach trat Preston einen Schritt beiseite, um Vincent Platz zu machen. “Und wie ist der Junge gestorben?”
    Vincent schwieg.
    “War es ein Unfall?”
    “Eine bakterielle Infektion”, murmelte Vincent.
    Preston wartete schweigend, bis Vincent seinen Schlag ausgeführt hatte. Der Ball rollte gute drei Meter am Loch vorbei. Jetzt war Preston wieder an der Reihe. Sein Ball rollte sicher ins Loch.
    “Aber bakterielle Infektionen können doch mit Antibiotika behandelt werden”, stellte er fest, nachdem er seinen Ball aus dem Loch geholt hatte.
    Damit wollte er Vincent natürlich nicht angreifen, sondern einfach die Unterhaltung weiterführen. Aber der stets gut gelaunte Nachbar reagierte sehr ungehalten.
    “Was soll das denn heißen?”, fuhr er ihn an. “Glaubst du, dass ich das nicht versucht hätte? Wer von uns beiden ist denn eigentlich der Arzt, Preston? Du hast doch keine Ahnung. Es handelte sich um einen Fall von Rückenmarksmeningitis. Nur zu deiner Information: Das ist eine sehr gefährliche Erkrankung.”
    “Reg dich nicht auf, Vincent. Ich wollte mich doch nur mit dir darüber unterhalten, was damals passiert ist. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Ich bin sicher, du hast alles Menschenmögliche getan.”
    “Darauf kannst du Gift nehmen!”
    Damit wollte Preston das Thema eigentlich auf sich beruhen lassen. Aber Vincents heftige Reaktion hatte seine Neugier angestachelt. “Und die Eltern des Jungen, wie haben sie die Sache verkraftet?”
    “Ich möchte jetzt nicht mehr darüber sprechen”, hatte Vincent barsch entgegnet.
    Ein Rumsen im Nebenzimmer ließ Preston aus seinen Erinnerungen hochschrecken. Er rollte sich auf die Seite, sah zum Wecker auf dem Nachttisch und stellte fest, dass das Tageslicht bereits zwischen den Ritzen der Jalousie hindurchdrang. Tatsächlich aber hatte er gerade mal dreieinhalb Stunden geschlafen.
    Dreieinhalb lächerliche Stunden. Wo war er überhaupt? In letzter Zeit reiste er so viel herum, dass alle Hotelzimmer für ihn gleich aussahen.
    Dann bemerkte er das zweite Bett im Zimmer. Und jetzt fiel ihm auch alles wieder ein. Dies war das Hilton in Salt Lake City, und er übernachtete hier zusammen mit dieser Frau, die er einfach nicht loswurde, und dem kleinen Jungen, der an Diabetes litt und beinahe in seinen Armen gestorben war. Die beiden verfolgte ein sehr unsympathischer Mann, der Manuel hieß und die Angewohnheit hatte, seine Freundin mit der brennenden Zigarette zu foltern.
    Preston stöhnte auf und zog die Decke über den Kopf. Es war einfach zu viel. Und er hatte geglaubt, sein Leben sei schon anstrengend genug.
    Dann hörte er Geräusche, die offenbar vom Fernseher im Nebenzimmer stammten. Erstaunt hob er den Kopf und sah sich das andere Bett genauer an. Dort lag Max und schlief. Allein. Also war Emma ins Nebenzimmer gegangen.
    Wieso ruhte sie sich nicht aus? Stimmte etwas nicht?
    Preston stieg aus dem Bett und durchquerte das Zimmer. Der gestrige Tag war extrem anstrengend gewesen. Vielleicht stand sie einfach unter einer zu großen Anspannung, um Ruhe zu finden.
    Er erinnerte sich an ihre Worte bei ihrem ersten Zusammentreffen.
Und was ist, wenn mich der Gedanke, dass Sie schon einmal an Selbstmord gedacht haben, gar nicht so erschüttert, wie Sie glauben? Vielleicht kann ich ja verstehen, wie Sie sich fühlen. Vielleicht bin ich auch schon mal an diesem Punkt gewesen.
    Um Gottes willen, hoffentlich machte sie jetzt keine Dummheit!
    Ganz leise und vorsichtig öffnete er die Zwischentür. Emma saß auf dem Sofa.

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