Flieh solange du kannst
Resultat bewirkte, dass Preston einen Kloß im Hals verspürte, aber gleichzeitig freute er sich.
“Das ist ein Geschenk für dich”, erklärte Max feierlich.
Preston erinnerte sich an die Bilder, die Dallas für ihn gemalt hatte, und er schloss die Augen. Er hätte niemals gedacht, dass irgendwann wieder ein Junge ein Bild für ihn malen würde. Obwohl es ihm schwerfiel, zwang er sich, zu Max zu gehen, um das Bild anzuschauen. “Das ist aber schön”, sagte er. “Was soll das sein?”
“Ein Hase mit langen Ohren”, erklärte Max voller Stolz.
“Oh, ja. Das hast du aber toll gemacht.”
Max strahlte ihn an, und der Blick aus seinen Kinderaugen entschädigte Preston für die Anstrengung, die es ihn gekostet hatte, auf ihn zuzugehen.
“Ich bin bald wieder zurück”, sagte er zu Emma, als er zur Tür ging.
Sie griff nach ihrer Handtasche und kam ihm hinterher. “Hier sind zwanzig Dollar. Falls es mehr kosten sollte …”
Er hob ablehnend eine Hand. “Ich habe genug bei mir.” Solche kleinen Beträge waren für ihn kein Problem. Er wollte die beiden einfach nur heil in Iowa abliefern und sichergehen, dass sie dort gut aufgehoben waren, wenn er weitermusste. “Ich hänge das ‘Bitte-nicht-stören’-Schild an die Tür. Ich nehme nicht an, dass du-weißt-schon-wer in der Stadt ist, aber du solltest trotzdem niemandem öffnen.”
Wenig später stand Preston in der Kosmetikabteilung eines Supermarkts und kratzte sich am Kopf. Zahnbürsten hatte er schon gefunden, Zahnpasta auch sowie Deodorant, Seife, ein Paar Flip-Flops, die Emma vielleicht etwas bequemer fand als die steifen Ledersandalen, die sie trug. Außerdem ein T-Shirt – auch für Emma, denn seine sauberen Klamotten neigten sich ebenfalls dem Ende zu – und eine ganze Menge Snacks. Nun konnte er sich nicht entschließen, welches Make-up er für sie kaufen sollte. Eine Tube Wimperntusche zu erwerben, schien auf den ersten Blick kein Problem zu sein – bis er sah, wie viele verschiedene Sorten es gab. Schwarz. Braun. Grau. Eine Farbe nannte sich Bräunlich-Schwarz, eine Dunkelschwarz, eine andere Blau …
Blau? Vielleicht war es ja eine Art Code, den nur Frauen verstanden, jedenfalls konnte er sich nicht erinnern, jemals eine Frau mit blauer Wimperntusche gesehen zu haben. Er war sich auch gar nicht sicher, ob er das jemals sehen wollte.
Ich hätte mein Handy mitnehmen sollen, dachte er, dann könnte ich Emma anrufen und um Rat fragen. Aber es lag im Hotel.
Nach einem letzten hilflosen Blick auf die zahllosen Kosmetikprodukte entschied er sich zu gehen. Er musste noch ein Kleidungsgeschäft finden, um Unterwäsche für Emma und Max zu besorgen. Vielleicht fand er dort ja auch eine Verkäuferin, die ihm bei diesen Make-up-Produkten weiterhelfen konnte.
Das Einkaufszentrum, das gleich um die Ecke vom Hotel lag, war überlaufen mit Kunden, die vor dem Schulbeginn noch schnell die nötigsten Dinge besorgen wollten.
Preston wich einer Gruppe Teenager mit Igelfrisuren, Tattoos und schwarzem Lippenstift aus, die vor einem Laden für Skateboards standen und den Durchgang blockierten und fand schließlich eine Hinweistafel in der Nähe der Aufzüge. Aus einem Lebensmittelladen drang der würzige Duft nach Zimt und anderen Gewürzen zu ihm, während er herauszufinden versuchte, wo er Unterwäsche bekäme.
Endlich fand er, was er suchte, und machte sich auf den Weg. Aber als er an einer Boutique für elegante Damenunterwäsche vorbeikam, hielt er inne, trat näher und schaute sich die zahllosen Büstenhalter, Slips, durchsichtigen Nachthemden und seidenen Morgenmäntel an.
“Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?”, fragte eine gut aussehende Verkäuferin und trat auf ihn zu.
“Oh, ich glaube nicht”, sagte er, als er erkannte, dass dieser Laden nicht geeignet war, um ganz normale Unterwäsche zu kaufen.
“Wir haben gerade Aktionswoche”, sagte sie mit einem verführerischen Unterton. “Wenn Sie zwei BHs kaufen, bekommen Sie den dritten gratis.”
Wie viele BHs würde Emma brauchen? Wenn es günstige Angebote gab, konnte er genauso gut hier einkaufen.
“Klingt gut”, sagte er. “Dann nehme ich vier Stück.”
“Das ging ja schnell”, stellte sie lachend fest. “Ich bin mir sicher, wir werden etwas finden, das Ihnen gefällt.”
Etwas, das
ihm
gefällt? Er war doch nicht gekommen, um etwas zu kaufen, das ihm gefiel. Jedenfalls nicht auf die Art, die die Verkäuferin meinte. “Ich brauche nur ganz schlichte Unterwäsche, nichts
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