Flieh Wenn Du Kannst
hast im Schlaf was getrunken?«
Bonnie sammelte etwas Speichel in ihrem Mund, um festzustellen, ob er nach Brandy schmeckte. »Ja, ich glaube, ich habe einen Schluck getrunken.«
»Das meiste scheint aber auf dem Boden gelandet zu sein«, stellte Lauren fest. »Ich mach’ das gleich sauber.«
»Das brauchst du doch nicht.«
Aber Lauren war schon auf dem Weg zur Küche. »Ist schon in Ordnung. Es macht mir nichts aus. Soll ich dir eine Tasse Tee machen?«
»Tee? Das Zeug rühr’ ich nie an«, hatte Joan gesagt. »Tee ist ungesund. Wissen Sie das nicht?«
»Nein danke«, antwortete Bonnie und drückte Amanda fest an sich. »Nein, keinen Tee, danke.«
»Ich hab’ gedacht, du würdest vielleicht etwas essen wollen«, sagte Sam, als Bonnie die Augen öffnete. Er stand am Fuß ihres Bettes.
Bonnie richtete sich auf, um einen Blick auf den Wecker zu werfen. Es war fast sieben. »Ist es Morgen oder Abend?« fragte sie und sah zum Fenster. Doch der graue Himmel gab ihr keine Antwort.
Sam lachte. »Es ist Abend.« Er kam mit dem Tablett näher und setzte es behutsam auf der Bettdecke ab.
Bonnie wußte nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Einerseits hatte sie nicht allzuviel Zeit verloren. Andererseits hatte sie nun noch die ganze Nacht vor sich. Vielleicht, dachte sie, als ein leises Hungergefühl sich regte, hilft es, wenn ich etwas esse. Sie hatte in der letzten Woche nur sehr wenig gegessen. Vielleicht war das der Grund für ihr Schwächegefühl. Sie mußte etwas essen, um bei Kräften zu bleiben.
»Was hast du mir denn gebracht?« fragte sie.
»Hühnersuppe mit Nudeln und Toast. Und Tee dazu.«
»Ich glaube, von Tee hab’ ich fürs erste genug«, sagte Bonnie. Sie führte den Löffel zum Mund und schlürfte langsam die heiße Suppe. »Die schmeckt wirklich gut«, sagte sie lächelnd. »Vielen Dank.«
»Ist mir ein Vergnügen.« Sam blieb neben ihrem Bett stehen.
»Und wie war es heute?« fragte sie.
»Klasse«, antwortete Sam. »Erst hab’ ich ein paar lose Schrauben festgezogen, dann hab’ ich alte Kleider und Bücher in Kartons gepackt. Für die Heilsarmee. Diana hat mich gefragt, ob ich ihr Bad tapezieren kann.«
»Und tust du es?«
»Ja, ich kann’s ja mal versuchen. Sie muß nächste Woche für zwei Tage nach New York und hat mir ihren Schlüssel gegeben. Sie meinte, ich soll mal sehen, wie ich zurechtkomme.«
»Das freut mich«, sagte Bonnie und schob wieder einen Löffel voll Suppe in ihren Mund.
Das Telefon läutete.
»Das ist wahrscheinlich dein Vater«, sagte Bonnie, als Sam abhob und ihr wortlos den Hörer reichte. »Hallo?« sagte Bonnie, den Blick auf Sam gerichtet, der verlegen von einem Fuß auf den anderen trat. »Hallo«, sagte sie noch einmal, als niemand sich meldete. Sie hörte ein merkwürdiges Klappern, dann wurde die Verbindung unterbrochen. »Wahrscheinlich hat sich jemand verwählt.« Bonnie gab Sam den Hörer zurück, und der legte auf. »Und was hast du heute abend vor?« fragte sie, als er sich zum Gehen wandte.
»Ach, nichts Besonderes«, antwortete Sam. »Vielleicht kommt Haze später mal vorbei.«
»Haze?«
»Wenn’s dir recht ist.«
»Ich weiß nicht...«, begann Bonnie, als das Telefon erneut läutete. Sie warf einen argwöhnischen Blick darauf.
»Das mach’ ich schon«, sagte Sam und blaffte ein unwirsches »Hallo«, nachdem er abgehoben hatte. »Oh, hallo, Dad«, fuhr er dann etwas betreten fort. »Wie ist es in Florida? – Ja, sie ist hier. Augenblick.« Er reichte Bonnie den Hörer. »Ich geh’ inzwischen raus«, hauchte er fast lautlos und ging.
Bonnie zwang sich zu einem leichten Ton. »Rod? Hallo. Wie war der Flug?«
Der Flug sei problemlos gewesen, berichtete er. Zu Beginn hätte es ein paar Turbulenzen gegeben, dann wären sie glatt gesegelt, sagte er und lachte über seine Beschreibung. Er fragte, wie es ihr ginge, und sie log und sagte, sie fühle sich viel besser, sie glaube, das Schlimmste sei jetzt vorüber. Er sagte, sie solle sich ein wenig Ruhe gönnen und sich nicht überfordern. Sie erwiderte, das gleiche gelte für ihn. Und er sagte, daß er sie liebe. Sie sagte, sie liebe ihn mehr. Dann sagten sie auf Wiedersehen.
Bonnie legte auf, aß ihre Suppe und den Toast und schlief wieder ein.
In ihrem Traum trug sie ein Tablett mit Essen die Treppe hinauf zu ihrem Schlafzimmer. Als sie sich dem oberen Absatz näherte, nahm sie einen unangenehmen, aufdringlichen Geruch wahr, der ihr vertraut war. Es war der
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