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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Vielleicht hatte sie die unangenehme Episode mit Haze nur geträumt. Ich verträume mein ganzes Leben, dachte sie.
    Sie warf einen Blick in Laurens Zimmer, sah das Mädchen quer über dem Bett liegen, die Decke abgestreift. Sie zog sie vorsichtig hoch und ging leise hinaus.
    Danach sah sie nach Sam, der vollbekleidet auf dem Sofa lag. Der Mondschein lag wie das Licht eines Scheinwerfers auf seinem Gesicht und brachte eine Ähnlichkeit mit seiner Mutter zum Vorschein, die ihr zuvor nie aufgefallen war. Sie machte kehrt, wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als ihre nackten Füße etwas streiften, das auf dem Boden lag. Es raschelte, kratzte an ihren Zehen. Sie bückte sich danach. Eine Fotografie. Das Foto Amandas, das vor Weihnachten im Spielwarengeschäft aufgenommen worden war. Der silberne Rahmen lag daneben. Zerbrochen.
    Bonnie hob auch ihn auf und wollte ihn gerade auf den Schreibtisch legen, als sie erstarrte. Das Mondlicht glänzte auf dem Deckel des Terrariums. Bonnie starrte in den Glasbehälter und begann zu zittern. Er war leer. Die Schlange war weg.

23
    »Sie sind ein bißchen früh dran«, sagte Hyacinth Johnson zur Begrüßung, als Bonnie am folgenden Montag morgen Dr. Greenspoons Praxis betrat.
    »Ach?« Bonnie sah auf ihre Uhr und gab sich überrascht. Tatsächlich hatte sie über eine Stunde am Ende der Straße in ihrem Auto gesessen. Sie hatte das Haus verlassen, sobald Amanda abgeholt worden war, und Sam und Lauren zur Schule gefahren waren. Sie hatte nicht eine Minute länger als nötig im Haus bleiben wollen. Gott allein wußte, was im nächsten Winkel auf sie wartete.
    Sie hatte Sam geweckt, sobald sie entdeckt hatte, daß die Schlange nicht mehr im Terrarium war, und zusammen hatten sie das ganze Haus durchsucht. Ohne Erfolg. Am Sonntag morgen in aller Frühe hatte Sam Haze angerufen und gefragt, ob dieser das Tier mitgenommen habe. Doch Haze behauptete, von L’il Abners Verschwinden nichts zu wissen; er gab allerdings zu, das er möglicherweise den Deckel nicht richtig aufgelegt hatte, nachdem er die Schlange wieder in das Terrarium gelegt hatte. Er habe ziemlich getankt gehabt, sagte er.
    Noch einmal durchsuchten Bonnie und Sam das Haus von oben bis unten, sahen in jede Ecke und jeden Winkel, in jeden Schrank und jede Schublade. Sie fanden nichts.
    »Er würde sich auf jeden Fall ein warmes Fleckchen suchen«, sagte Sam, und sie sahen deshalb den ganzen Tag und die ganze Nacht in regelmäßigen Abständen immer wieder im Heizraum und rund um den Boiler nach, aber L’il Abner blieb verschwunden.
    Bonnie setzte sich auf eines der Zweiersofas im Warteraum von Dr. Greenspoons Praxis. Hyacinth Johnson und Erica McBain waren heute beide in Schwarz und Weiß gekleidet. Stimmten sie vielleicht ihre Garderobe jeden Morgen aufeinander ab, oder planten sie sie schon Tage im voraus? fragte sie sich flüchtig, als sie eine Zeitschrift vom Tisch nahm. Interessenlos überblätterte sie die neuesten Skandalgeschichten um das englische Königshaus und Michael Jackson, unfähig, ihre Gedanken von der verschwundenen Schlange loszureißen. Sie erinnerte sich, einmal von einem Mann gelesen zu haben, der, als er mitten in der Nacht zur Toilette gegangen war, eine Schlange in seiner Kloschüssel entdeckt hatte. Er hatte die Badezimmertür geöffnet, das Licht angeknipst, und da erhob sie sich aus der Kloschüssel wie ein Periskop. »Gib, daß mir so etwas nicht passiert«, flüsterte sie. »Das würde ich nicht aushalten.«
    »Bitte? Haben Sie etwas gesagt?« fragte Erica McBain.
    »Ich führe nur Selbstgespräche«, antwortete Bonnie. Das tun doch Verrückte, dachte sie.
    »Ach, das tu’ ich dauernd«, erklärte Erica, als wollte sie sie beruhigen.
    Nachdem sie trotz aller Bemühungen die verschwundene Boa constrictor nicht gefunden hatten, hatte Bonnie einen Kammerjäger angerufen, den Installateur, den Tierschutzverein, ja, sogar den Zoo. Aber niemand hatte ihr helfen können. Wenn die Schlange entwichen war, hatte man ihr gesagt, würde sie früher oder später jemand entdecken und die Polizei benachrichtigen. Wenn die Schlange es irgendwie geschafft haben sollte, in eine der Rohrleitungen des Hauses zu gelangen, konnte es Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern, ehe sie wieder zum Vorschein kam, wenn überhaupt.
    »Dieser verdammte Haze«, schimpfte Sam, sichtlich erschüttert. »Ich hab’ ihm extra gesagt, er soll Abner nicht anrühren.«
    Ja, dieser verdammte Haze, dachte Bonnie und sagte zu Sam:

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