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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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nebenan.«
    »Sie brauchen nicht zu gehen«, sagte Bonnie, die froh war, nicht allein zu sein. Sie wartete, während das Telefon läutete, einmal, zweimal, dreimal. »Wahrscheinlich hab’ ich sie genau beim Duschen erwischt«, meinte sie und ließ es noch sechsmal läuten, ehe sie schließlich aufgab und neu wählte. »Vielleicht habe ich mich verwählt«, sagte sie, obwohl sie instinktiv wußte, daß es nicht so war. Wieder ließ sie es lange läuten. »Anscheinend ist sie nicht zu Hause.« Obwohl sie Bonnie gesagt hatte, sie würde sich nicht von der Stelle rühren, solange sie nichts von ihr gehört hatte? Ohne ihren Anrufbeantworter einzuschalten?
    »Vielleicht ist sie wirklich unter der Dusche«, meinte Caroline.
    »Ja, wahrscheinlich«, stimmte Bonnie zu und griff sich automatisch ins Haar. »Eine Dusche ist übrigens gar keine schlechte Idee. Wenn Sie nichts dagegen haben...«
    »Natürlich nicht. Bitte.«
    Bonnie stand unsicher auf.
    »Aber frühstücken Sie doch erst fertig«, riet Caroline. »Ich habe das Gefühl, daß Sie Ihre ganze Kraft brauchen werden.«
     
    Bonnie stand unter dem heißen Strahl der Dusche und sah zu, wie sie langsam von einer Dampfwolke eingehüllt wurde. Viel einzuhüllen gab es allerdings nicht mehr. Sie hatte in den letzten Wochen mindestens acht Kilo abgenommen, wenn nicht mehr, war so dünn geworden, daß die Rippen unter ihren kleinen Brüsten hervorstanden. Ihre Beine sahen aus wie Streichhölzer, oberhalb der Knie nicht viel runder als unterhalb. Vorpubertär beinahe. Wie Twiggy, dachte Bonnie, mit ihrem gehetzten Blick und den aufgemalten unteren Wimpern, mit ihrem kurzen Haar und der eingefallenen Brust. Vielleicht war Twiggy gar nicht von Natur aus mager gewesen. Vielleicht hatte sie sich diese übertriebenen Wimpern aufgemalt, weil ihre eigenen ausgefallen waren. Vielleicht hatte sie sich den knabenhaften Haarschnitt zugelegt, weil ihre einst seidenweichen Locken sich in Stroh verwandelt hatten. Vielleicht hatte Twiggy eine Arsenvergiftung gehabt.
    Bonnie lachte, spie das Shampoo aus, das ihr in den Mund lief, lachte wieder, massierte sich den Kopf mit kräftigem Druck. »Diesen Mann werde ich mir aus den Haaren waschen«, sang sie leise und fragte sich, was, in aller Welt, sie veranlaßte zu singen. Ihr ganzes Leben drohte in Scherben zu gehen, jemand wollte sie umbringen, sie wußte nicht mehr, wem sie trauen konnte und wem nicht, und da stand sie in der Dusche und sang. Das Arsen hatte wohl auch schon ihr Hirn angegriffen.
    Sie glaubte etwas zu hören, wartete, bis sie es wieder hörte, drehte das Wasser aus, als sie erkannte, daß jemand an die Tür klopfte. »Ja?« rief sie, nicht sicher, ob sie wirklich etwas gehört hatte.
    »Bonnie!« erwiderte Caroline laut und öffnete die Badezimmertür einen Spalt. Ein kühler Luftzug wehte herein, und Bonnie fröstelte. »Ich störe Sie nicht gern, aber ich dachte, es ist besser, wenn ich Sie rufe. Captain Mahoney ist am Telefon.«
     
    Bonnie hatte gerade noch Zeit sich abzutrocknen und anzuziehen, bevor Captain Mahoney kam. Sie erzählte ihm alles, die Worte sprudelten ihr nur so über die Lippen – von ihrem wochenlangen Unwohlsein, ihrem Arztbesuch, den Ergebnissen der Blutuntersuchungen. Es gebe keinen Zweifel daran, sagte sie, daß jemand sie vergiften wolle, aber sie habe keine Ahnung, wer es sein könnte. »In Joan Wheelers Haus habe ich Rattengift gefunden«, berichtete sie.
    »Sie waren in dem Haus?«
    »Ja, gestern.« Sie sah einen Schimmer von Überraschung, dann Ungeduld in seinen dunklen Augen. Er saß neben ihr, sichtlich nervös, obwohl er so tat, als studiere er die Skulptur einer Nackten, die vor dem Klavier in Caroline Gossetts Wohnzimmer stand.
    »Und Sie haben es angelangt?« fragte er in resigniertem Ton.
    »Ja.« Er brauchte ihr nicht zu sagen, daß sie in ihrer Gedankenlosigkeit wahrscheinlich alle Chancen der Polizei, an dem Behälter frische Spuren zu sichern, zunichte gemacht hatte. »Es tut mir leid. Ich habe nicht überlegt.«
    Er kratzte sich am Kopf. »Heute ist jeder ein Detektiv«, brummte er.
    »Wie mein Bruder?« fragte Bonnie, erhielt aber keine Antwort. »Ist er wirklich das, was er behauptet zu sein, Captain Mahoney?« bohrte sie nach.
    »Ihr Bruder zählt in diesem Fall nicht zu den Verdächtigen«, antwortete Mahoney ausweichend.
    »Aber ist er Polizeibeamter?« drängte sie.
    »Darüber kann ich keine Auskunft geben.«
    »Sie können nicht? Oder wollen Sie nicht?«
    »Ihr Bruder

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