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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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reden wollen?« fragte Lauren.
    »Lauren!« warnte Rod. »Nimm dich zusammen.«
    »Na ja«, begann Bonnie, und die Worte lösten sich nur schwer von ihren Lippen, »ich weiß, wie es ist, wenn man eine Mutter verliert, die man liebt.«
    »Ich habe meine Mutter nicht verloren . Sie ist ermordet worden. Deine vielleicht auch?« fragte Lauren herausfordernd.
    »Nein«, antwortete Bonnie. Nicht direkt, dachte sie.
    »Dann hast du null Ahnung.« Lauren stieß ihren Stuhl vom Tisch weg. »Ich habe keinen besonderen Hunger. Darf ich aufstehen?« Und im nächsten Moment war sie verschwunden.
    Rod griff über den Tisch und tätschelte Bonnies Hand. »Tut mir leid, Liebes. Das hast du nicht verdient.« Er blickte durch das Fenster hinaus auf die stille Vorortstraße. »Es war für uns alle ein scheußlicher Tag.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schob seinen Teller weg. »Ich habe auch keinen großen Hunger.« Er stand auf und streckte sich. »Ich bin irgendwie unruhig. Macht es dir etwas aus, wenn ich ein Weilchen verschwinde? Ich brauch’ frische Luft.«
    »Jetzt noch? Es ist doch schon nach neun.«
    »Nur eine kleine Spritztour. Ich bin bestimmt nicht lang weg.« Er war schon auf dem Weg aus der Küche. Bonnie folgte ihm eilig. »Ich brauche einfach ein bißchen Zeit, um einen klaren Kopf zu bekommen«, sagte er an der Haustür.
    »Rod, es tut mir wirklich leid«, begann Bonnie. »Du weißt, es war nicht meine Absicht, dich zu kritisieren.«
    »Dir braucht nichts leid zu tun.« Er küßte sie zärtlich auf den Mund, während er mit der Hand schon zur Tür griff. »Komm doch mit«, sagte er plötzlich.
    »Ich kann doch Amanda nicht allein lassen!« Ihre Tochter lag schon seit einer Weile im Bett.
    »Sam und Lauren sind ja hier«, erinnerte Rod sie.
    Bonnie sah zur Treppe, dachte an Sam in der Küche und Lauren in ihrem Zimmer. Bilde dir nur ja nicht ein, daß du meine Kinder als Babysitter benützen kannst. Sie sind nicht dazu da, dir das Leben zu erleichtern, hatte Joan eines denkwürdigen Abends kurz nach Amandas Geburt zu ihr gesagt.
    »Nein, ich bleibe lieber hier«, entschied Bonnie, die genau wußte, daß Joan alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um jegliche Vertrautheit zwischen Sam und Lauren und ihrer kleinen Halbschwester zu verhindern. Sie war boshaft und grausam gewesen, ganz gewiß nicht dieses Vorbild an Güte und Menschlichkeit, dessen Loblied man heute nachmittag bei der Trauerfeier gesungen hatte.
    »Also, ich bin gleich wieder da«, sagte Rod und zog die Tür hinter sich zu.
    Sam saß immer noch über seinen Teller gebeugt am Tisch. Das Licht der Deckenlampe leuchtete auf dem Mitternachtsblau seines Haars.
    »Ich bin froh, daß wenigstens einer Appetit hat«, bemerkte sie.
    Sam drehte sich um. Orangerote Sauce klebte an seinen Lippen wie verschmierter Lippenstift, die gleiche Farbe, die seine Mutter immer benutzt hatte, die gleiche Farbe, die sie auch am Tag ihres Todes benutzt hatte.
    Bonnie trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Sam lächelte. Von seiner rechten Hand hing etwas herab wie eine Taschenuhr an einer Kette, nur war dies keine Kette, wie Bonnie sah. Es war ein Schwanz.
    »O Gott«, sagte sie und drückte eine Hand auf ihren Magen. »Sag mir, daß es nicht das ist, was ich glaube.«
    »Es ist nur eine kleine weiße Ratte«, erklärte Sam lachend. »Ich hab’ sie ein bißchen an meinem süßsauren Schweinefleisch knabbern lassen. So eine Art Henkersmahlzeit, bevor sie von L’il Abner verdrückt wird.« Er stand auf und nahm die zum Tode verurteilte Ratte mit, deren zuckende Schnauze orangerot schimmerte. »Willst du zusehen?«
    »Nein, danke«, antwortete Bonnie heiser, und Sam ging hinaus. Sie ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken und wartete auf Rods Heimkehr.

9
    Am folgenden Montag morgen stellte Bonnie ihren Wagen Punkt sieben Uhr neunundzwanzig auf dem Lehrerparkplatz vor der Weston High School ab. Ich habe eine Digitaluhr im Wagen, hatte sie vor gar nicht langer Zeit den Polizeibeamten gesagt. Und dann hatte sie zu lachen angefangen. Sie hatte nicht lange gelacht und nicht laut. Aber lange genug, um ihre Neugier zu erregen, laut genug, um ihren Verdacht zu wecken. Am Wochenende waren sie wieder dagewesen, um mit ihr zu sprechen, hatten ihr wieder die gleichen Fragen gestellt, wahrscheinlich in der Hoffnung, sie würde sich widersprechen, irgend etwas Belastendes sagen, das Captain Mahoney berechtigen würde, ihr die

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