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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Handschellen anzulegen, die an seinem Gürtel baumelten, und sie mitzunehmen. Die Gefahr, in der sie und ihre Tochter möglicherweise schwebten, vor der Joan sie gewarnt hatte, schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Wahrscheinlich glauben sie, ich hätte mir das alles ausgedacht, dachte Bonnie in ihrem Ärger darüber, wie wenig die Polizei über den Stand ihrer Ermittlungen preisgegeben hatte. Sie hatte ihnen lediglich mitgeteilt, daß Joan nach Befund des Coroners von einer Kugel aus einem.38er Revolver getötet worden war, höchstwahrscheinlich jener Waffe, die noch auf Rod zugelassen war.
    »Hallo, Mrs. Wheeler!« rief jemand, als Bonnie die Tür des Gebäudes erreichte. »Lassen Sie, ich mach’ Ihnen auf.«
    Bonnie drehte sich um und sah Haze, der ihr nachrannte. Das heißt, nein, rennen kann man eigentlich nicht sagen, dachte sie, während sie ihn beobachtete, fasziniert von der unbekümmerten Selbstgefälligkeit seiner Bewegungen. Es war eher ein leichtes, federndes Tänzeln, wie das eines wohlgebauten, kraftvollen Hengstes.
    »Sie schauen echt gut aus heute, Mrs. Wheeler«, sagte er, zog die schwere Tür auf und trat dann zur Seite, um Bonnie den Vortritt zu lassen. »Schön, daß Sie wieder da sind«, fügte er hinzu, als sie in die Schulkantine traten.
    Bonnie lächelte. »Was verschafft mir denn die Ehre, Haze?«
    Haze senkte den Kopf und sagte so leise, daß sie sich vorbeugen mußte, um ihn zu hören: »Sie erwarten doch nicht im Ernst heute den Aufsatz, oder?« fragte er.
    Sie hätte gelacht, wäre nicht die plötzliche Spannung im Gesicht des Jungen gewesen, das Erstarren seines Lächelns.
    »Leider doch«, antwortete sie und fühlte sich plötzlich vom Lärm und den Gerüchen des Raumes bedrängt. »Du hast über einen Monat Zeit gehabt.«
    Haze sagte nichts, doch sein gefrorenes Lächeln wich einem kaum wahrnehmbaren höhnischen Grinsen, als er langsam zurückwich und in einer Gruppe von Schülern verschwand. Wie die Ratte, die von der Boa constrictor verschlungen wird, dachte Bonnie, die ihn beobachtete. Sie fühlte sich beunruhigt von dieser Begegnung, hätte aber nicht sagen können, warum.
    Sie verließ die Kantine, nickte ein paar Jungen zu, die in einer Ecke knuffend und puffend herumalberten, und ging rasch den Korridor hinunter. Eine lange Leuchtröhre zog sich in der Mitte der hohen Decke entlang wie die Mittellinie auf einer Landstraße und warf einen gespenstischen Schein auf die große, gerahmte Fotografie der Schulabgänger des letzten Jahres, deren Köpfe mit den lachenden Gesichtern man abgeschnitten und säuberlich in einzelne, ovale Passepartouts gesteckt hatte. Bonnie öffnete die Tür zum Lehrerzimmer und hielt schnurstracks auf die große Kaffeemaschine zu, die auf einem Sideboard stand.
    »Hallo, alle miteinander«, sagte sie zu niemandem im besonderen, nachdem sie sich eine Tasse eingeschenkt hatte und zu einem Sessel vor der langen Reihe niedriger Fenster ging. Der Blick – auf einen kleinen Innenhof mit einem einsamen Baum – war nicht gerade spektakulär.
    Es war vielleicht ein halbes Dutzend Lehrkräfte in dem großen Raum, in dem die Farben Rot und Beige vorherrschten. Ein paar standen in einer kleinen Gruppe beisammen und unterhielten sich, andere schienen in die Morgenzeitung vertieft zu sein, alle gaben sich betont nonchalant. Einige erwiderten ihre Begrüßung; jemand fragte, wie es ihr ginge; sie sagte, okay.
    »Es tut gut, wieder hier zu sein«, bemerkte Bonnie, während sie feststellte, daß Josh Freeman nirgends zu sehen war.
    »Das muß ja scheußlich gewesen sein«, sagte Maureen Templeton, eine Mathematik-und Physiklehrerin mit krausem gelbem Haar und einem ausgeprägten Überbiß, und alle nickten zustimmend.
    »Ja, das war es«, bestätigte Bonnie.
    »Weiß die Polizei schon...?«
    »Nein, bis jetzt noch gar nichts«, sagte Bonnie.
    »Schlimme Woche, hm?« fragte Tom O’Brian, der so intellektuell aussah, wie sich das für einen Lehrer für dramatische Kunst gehörte.
    »Ja, gräßlich.«
    »Also, wenn wir irgendwie helfen können...«, sagte wieder Maureen Templeton, während die anderen nickten wie gehabt.
    »Danke.«
    »Ich habe Sam in einer meiner Gruppen«, sagte Tom O’Brian. »Er ist ein echtes Talent, der geborene Schauspieler. Wie hält er sich?«
    »Besser, als man erwarten würde«, antwortete Bonnie, die aus Sams Verhalten noch immer nicht klug wurde. Die Polizei hatte Joans Auto freigegeben, und Sam hatte sich mit wahrem Feuereifer

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