Flieh Wenn Du Kannst
genau so eine Szene wie die jetzige vermeiden wollte.«
Bonnie schwieg.
»Das Essen wird kalt«, bemerkte Rod schließlich.
»Hast du gewußt, daß er bei meinem Vater wohnt?« fragte Bonnie, als hätte er nichts gesagt.
»Nein. Ich hab’ ihn nicht danach gefragt, und er hat es mir nicht gesagt.«
»Habt ihr über Joan geredet?«
»Weshalb, um Himmels willen, hätten wir über Joan reden sollen?«
»Es würde mich interessieren, warum sein Name in ihrem Adreßbuch steht.«
»Ich wiederhole«, sagte Rod scharf, den kantigen Unterkiefer angespannt, als kostete es ihm Mühe, sich zu beherrschen, »wir sollten diese Sache der Polizei überlassen.«
»Weißt du eigentlich, daß diese dumme Person ihn als Gast in eure Show eingeladen hat?« fragte Bonnie abrupt.
»Marla?« Rod lachte.
»Du findest das komisch?«
»Er kommt bestimmt nicht.«
»Natürlich kommt er. Und wenn nur, um mich zu ärgern.«
»Dann laß dich nicht davon ärgern.« Rod gab ihr einen Kuß auf die Nasenspitze. »Komm, Schatz. Nimm dir das alles doch nicht so zu Herzen. Es tut mir leid, daß ich dir nichts gesagt habe. Wirklich, glaub mir.«
Sam kam lässig in die Küche, gefolgt von seiner Schwester. »Du findest Marla Brenzelle dumm?« fragte er.
Bonnie hätte gern gewußt, wie viel von dem Gespräch die beiden gehört hatten. »Sagen wir einfach, die Frau hat einen schwach ausgebildeten Sinn für Ironie.«
»Was ist das?« Sam machte es sich in einem der Korbsessel bequem.
»Ironie?«
»Nein, das da.« Sam deutete auf einen der Plastikbecher.
»Huhn mit Zitrone«, antwortete Rod ihm. »Bedien dich.«
»Ich finde sie cool«, sagte Lauren. Sie setzte sich und häufte eine große Portion gebratenen Reis auf ihren Teller.
»Wirklich?« Bonnie gab sich keine Mühe, ihre Verwunderung zu verbergen. »Was findest du denn cool an ihr?«
Lauren zuckte mit den Achseln. »Sie hilft doch anderen.«
»Sie hilft ihnen? Wie denn? Indem sie sie vor Millionen Fernsehzuschauern ausbeutet?«
»Wieso beutet sie sie aus?« fragte Lauren.
»Kannst du mir mal das Chow Mein rübergeben?« sagte Sam.
»Sie beutet sie aus, indem sie sie glauben macht, sie könnten ihre Probleme lösen, wenn sie sie vor Millionen von Leuten auf den Tisch legen. Als Lösung bietet sie ihnen einen Gemeinplatz im Ruckzuck-Verfahren. Sie bietet außerdem jedem Irren und jedem Exhibitionisten im Land ein öffentliches Forum. Sie legitimiert das fragwürdige Verhalten dieser Leute, indem sie so tut, als wäre es die Norm, was es ganz eindeutig nicht ist.« Bonnie, von ihrer Auseinandersetzung mit Rod noch aufgebracht, geriet jetzt erst richtig in Fahrt. »Was glaubst du denn, wie viele lesbische Zwillinge es gibt, die die Liebhaber ihrer Mütter verführt haben? Oder wie viele Spanner, die ihre Cousine geheiratet haben, nachdem sie gesehen hatten, daß sie mit ihrem Vater im Bett war? Glaubst du im Ernst, es geht Marla Brenzelle, die ich übrigens schon kannte, als sie noch Marlene Brenzel hieß, darum, jemand anderem zu helfen als sich selbst und ihren Einschaltquoten, wenn sie solche Leute in ihre Show holt? Ich möchte wirklich wissen, was eigentlich aus Diskretion und gesundem Menschenverstand geworden ist?«
Nach diesem unerwarteten Ausbruch war es einen Augenblick ganz still im Zimmer.
»Na, das war mal eine feurige Rede«, bemerkte Rod schließlich ruhig.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Bonnie hastig. »Ich weiß selbst nicht, was plötzlich in mich gefahren ist. Ich wollte wirklich nicht so...«
»So geringschätzig sein?« fragte Rod spitz.
»Ehrlich, es tut mir leid. Ich wollte nicht...«
»Ich hatte ja keine Ahnung, daß du über meine tägliche Arbeit eine so dezidierte Meinung hast«, sagte Rod.
»Seit wann kennst du Marla Brenzelle?« wollte Sam wissen.
»Wir waren zusammen auf der Schule«, antwortete Bonnie, ihren Blick auf Rod gerichtet.
»Cool«, sagte Sam.
»Wirklich, Rod«, sagte Bonnie zu ihrem Mann, »ich wollte das, was du tust, nicht runtermachen...«
»Es klang aber ganz danach«, versetzte er.
»Sie hat mich gefragt, ob ich mal in ihrer Show auftreten will«, warf Lauren ein. »Sie hat gesagt, es würde mir vielleicht helfen, mit dem, was passiert ist, besser fertigzuwerden, wenn ich drüber reden könnte.«
»Es würde bestimmt helfen, mit jemandem darüber zu sprechen«, stimmte Bonnie sofort zu. »Aber sprich mit deinem Vater darüber. Oder mit einem Therapeuten. Oder auch mit mir.«
»Weshalb sollte ich ausgerechnet mit dir
Weitere Kostenlose Bücher