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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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mit Ihnen in Verbindung gesetzt?«
    »Ich habe mit der Polizei gesprochen, ja.«
    »Darf ich fragen, worüber?«
    »Nein, das dürfen Sie nicht«, antwortete er ruhig.
    Bonnie spürte, wie sie rot wurde. »Wußten Sie eigentlich von meiner Verbindung zu Joan?« fragte sie.
    »Ich weiß, daß Sie mit ihrem geschiedenen Mann verheiratet sind.«
    »Hat Joan Ihnen das gesagt oder die Polizei?«
    »Joan.«
    »Welcher Art war Ihre Beziehung zu Joan eigentlich?«
    »Ich glaube nicht, daß Sie das etwas angeht«, antwortete Josh Freeman und warf gleichzeitig einen Blick auf die große Wanduhr. »Im übrigen wird es gleich läuten. Ich muß zum Unterricht.«
    »Wir haben noch fünf Minuten.«
    »Was wollen Sie denn über meine Beziehung zu Joan wissen?«
    »Es bestand also eine Beziehung«, stellte Bonnie fest.
    Er sagte nichts.
    »Hat sie je von mir gesprochen?« fragte Bonnie. »Oder von meiner Tochter? Hat sie zu Ihnen einmal etwas davon gesagt, daß sie glaubte, wir befänden uns in Gefahr?«
    Ein flüchtiger Ausdruck der Beunruhigung blitzte in Josh Freemans Augen auf und erlosch wieder. »Ich weiß wirklich nicht, worauf Sie hinaus wollen«, sagte er und stand auf, »und ich finde dieses Gespräch äußerst unbehaglich. Ich muß jetzt wirklich zum Unterricht.«
    Bonnie stand ebenfalls auf. »Können wir nach der Schule noch einmal miteinander sprechen?«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Bitte!«
    »Wir werden sehen«, sagte er, offensichtlich hin und her gerissen. Dann ging er, ehe sie noch ein weiteres Wort hervorbringen konnte.
     
    Bonnie wappnete sich innerlich und öffnete die Tür zu ihrem Klassenzimmer. Augenblicklich stürzten die Schüler, die noch schwatzend und lachend am Fenster zusammenstanden, zu ihren Plätzen. Sie boten das gewohnte Bild: lange Haare, Fetzenjeans, Ohr-und Nasenstecker, ungefähr gleich viele junge Männer und junge Frauen aus relativ wohlhabenden Familien, entschlossen, so heruntergekommen wie möglich auszusehen. In ihren Augen spiegelte sich ein Zynismus, der nicht zu ihrer Jugend paßte.
    Es gab einiges Gekicher und viele nervöse Blicke, als Bonnie die Gesichter der vierundzwanzig Schüler, die in ihrem vorletzten Jahr waren, musterte. Hinten saß Haze, zwinkerte und nickte mit dem Kopf wie die Handpuppe eines Bauchredners. Bonnie trat hinter das Pult und setzte sich, nachdem sie sich rasch vergewissert hatte, daß alles so war, wie sie es verlassen hatte. Die Tafel war sauber abgewischt; am Schwarzen Brett hing das vertraute Sammelsurium von Landkarten, Kino-und Theaterprogrammen. »Literatur von 1400 – 1850«, verkündete ein Flugblatt. Neben dem Schwarzen Brett hingen von den Schülern gezeichnete Plakate zu den Lektüren, die in diesem Jahr durchgenommen worden waren: Der Fänger im Roggen; Ich weiß, daß der gefangene Vogel singt; Cyrano de Bergerac; Macbeth.
    »Was hat die Ersatzlehrkraft letzte Woche mit euch durchgenommen?« fragte sie und nahm ihre Ausgabe von Macbeth vom Pult.
    »Nicht viel«, sagte jemand und lachte.
    »Fort, fort, verdammter Fleck«, schrie Haze, und die Klasse brüllte.
    »Er war ziemlich inkompetent«, sagte eines der Mädchen aus der ersten Reihe. »Er ließ uns die meiste Zeit für uns selbst arbeiten.«
    »Gut. Dann solltet ihr eigentlich alle euren Aufsatz heute fertig haben«, sagte Bonnie und erhielt laute Buhrufe zur Antwort. »Aber jetzt gehen wir erst einmal zur Seite zweiundsiebzig.«
    Eines der Mädchen meldete sich.
    »Ja, Katie?«
    »Was war das für ein Gefühl, eine Tote zu finden?« fragte das Mädchen schüchtern.
    Einen Moment lang wurde es ganz still in der Klasse. Nun ja, es ist ganz logisch, daß sie neugierig sind, sagte sich Bonnie. Sie hatten alle die Zeitungen gelesen, wußten von Joans Ermordung, wußten, daß sie Joan gefunden hatte.
    »Furchtbar«, antwortete Bonnie dem Mädchen. »Es war furchtbar.«
    »War die Leiche schon kalt?« fragte ein anderes Mädchen.
    »Die Haut war kühl«, antwortete Bonnie.
    »Haben Sie es getan?« Es war eine männliche Stimme, der Ton bewußt herausfordernd. Bonnie wußte, ohne hinzusehen, daß Haze die Frage gestellt hatte.
    »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen«, versetzte Bonnie, heftig bemüht, ruhig zu sprechen, »aber die Antwort lautet nein. So, und jetzt denke ich, kehren wir zu Macbeth zurück. Seite zweiundsiebzig.« Sie blätterte mit merklich zitternden Händen in ihrem Text. »Macbeth’s Rede ist gleich oben auf der Seite.«
    Sie blickte zum Fenster hinaus und freute sich

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