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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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gelassen, wie es war, mit verwurstelter Decke, die in der Mitte etwas aufgeworfen war, als läge jemand darunter.
    »Mein Gott, da liegt ja jemand im Bett«, sagte Bonnie und trat näher an das Bett heran. Das formlose Häufchen in der Mitte nahm langsam menschliche Gestalt an. Bonnie hielt den Atem an, als sich ihr das Bild ihrer Mutter in den Tagen vor ihrem Tod aufdrängte. Sie hatte Angst, die reglose Gestalt in der Mitte des Bettes genauer anzusehen. Gesicht und Haar der Frau waren aschgrau, ihre Wangen eingefallen, ihre braunen Augen weit offen und bar jeden Ausdrucks, so als sähen sie nichts. Einen Moment lang glaubte Bonnie, die Frau wäre tot, doch da stieß sie plötzlich einen merkwürdigen kleinen Laut aus, einen zitternden Schrei, der sofort verklang.
    »Das ist Mrs. Langer, nicht wahr?« fragte Bonnie die Frau im Rollstuhl.
    »Vielleicht«, antwortete die Frau. »Wer fragt?«
    »Bonnie«, wiederholte Bonnie. »Bonnie Wheeler. Kennen Sie den Namen, Mrs. Langer?« fragte sie die Frau im Bett.
    »Die redet nicht mit Ihnen«, erklärte die Frau im Rollstuhl. »Die redet mit niemand mehr, seit sie ihr gesagt haben, daß ihre Joan tot ist.«
    »Es tut mir sehr leid, daß Sie Ihre Tochter verloren haben«, sagte Bonnie und berührte behutsam Elsa Langers Schulter.
    »Sie hat sie jeden Monat besucht. Jetzt kommt niemand mehr.«
    »Mrs. Langer, können Sie mich hören?«
    »Die redet nicht mit Ihnen.« Wieder hörte Bonnie das Klappern der Zahnprothese, die hin und her geschoben wurde.
    Bonnie kniete neben dem Bett nieder, so daß ihre Augen auf einer Höhe mit denen Elsa Langers waren. »Ich bin Bonnie Wheeler«, sagte sie zu ihr. »Rods Frau.« Die Frau zwinkerte mehrmals rasch hintereinander. Bonnie neigte sich näher zu ihr. »Hat Joan einmal von mir gesprochen?«
    »Joan ist tot«, verkündete die Frau im Rollstuhl.
    »Joan hat sich Sorgen um mich gemacht«, fuhr Bonnie fort. »Sie sagte, sie müßte mir etwas mitteilen, aber sie ist gestorben, ehe wir miteinander sprechen konnten. Ich würde gern wissen, ob sie vielleicht zu Ihnen einmal etwas gesagt hat.«
    Bonnie brach ab. Was tat sie da? Diese Frau war nur noch einen Atemzug vom Tod entfernt. Sie konnte sie wahrscheinlich nicht mehr sehen, geschweige denn hören oder verstehen, wovon sie sprach.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß es Sam und Lauren gut geht. Sie leben jetzt bei Rod und mir, und wir werden gut für die beiden sorgen. Vielleicht kann ich sie sogar einen Nachmittag mit hierherbringen, wenn Sie das möchten. Ich bin sicher, sie würden ihre Großmutter gern sehen.« Wieso hatte sie das gesagt? Sie hatten die alte Frau ja nicht einmal erwähnt.
    Elsa Langer sagte nichts.
    Unsicher stand Bonnie wieder auf. »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe.«
    »Ich hab’ Ihnen ja gesagt, daß sie nicht mit Ihnen redet«, bemerkte die Frau im Rollstuhl mit einem triumphierenden Unterton in der Stimme.
    »Hat sie früher mit Ihnen geredet?« fragte Bonnie mit einem Blick auf die Frau, die immer noch klappend mit ihrer Zahnprothese jonglierte.
    »Vielleicht. Wer fragt?«
    Bonnie seufzte resigniert. »Bonnie«, antwortete sie. »Bonnie Wheeler.«
    »Den Namen kenn’ich«, sagte die Frau. Sie strich sich mit der Hand über ihren Schoß und fegte die Zeitschriften zu Boden.
    »Ja, wirklich?«
    »Vielleicht. Wer fragt?«
    Bonnie hob die Zeitschriften vom Boden auf und legte sie beinahe ängstlich neben Elsa Langer, die reglos in den weißen Laken lag, aufs Bett. Eine einzelne Träne rann über die Wange der alten Frau.
    »Mrs. Langer! Mrs. Langer, können Sie mich hören? Haben Sie gehört, was ich vorhin gesagt habe? Können Sie mich verstehen? Können Sie mit mir sprechen, Mrs. Langer? Möchten Sie mir irgend etwas sagen?«
    »Die redet bestimmt nicht mit Ihnen«, sagte die Frau im Rollstuhl.
    »Aber sie weint.«
    »Sie weint dauernd.«
    »Tatsächlich?«
    »Vielleicht. Wer fragt?«
    Bonnie wandte sich wieder der Frau im Bett zu. »Weinen Sie nicht, Mrs. Langer«, sagte sie zu Joans Mutter. »Bitte, ich wollte Sie nicht aufregen. Ich werde jetzt wieder gehen, aber ich hinterlasse meine Telefonnummer bei den Pflegerinnen, falls Sie mich erreichen wollen.« Sie beugte sich vor und berührte das weiche graue Haar der Frau. »Auf Wiedersehen.«
    »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte die Frau im Rollstuhl.
    »Ja, ganz meinerseits«, erwiderte Bonnie.
    »Ha-ha, Lügen haben kurze Beine!« rief die Frau Bonnie nach, als diese aus dem Zimmer

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