Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
schlechte Idee wäre, dachte sie.
    »Mrs. Lonergan?« hörte sie eine Männerstimme und fuhr zusammen. Wieder fiel ihre Brieftasche auf den Boden. Der Mann bückte sich, sie aufzuheben, und Bonnie erkannte den kahlen Kopf von dem Foto in der Zeitung. Sie hielt den Atem an, als Dr. Greenspoon ihre Brieftasche aufhob. Sein Daumen lag auf ihrem Führerschein und verdeckte den Namen.
    »Bitte, kommen Sie herein«, sagte er, als er ihr die Brieftasche zurückgab.
    Bonnie nickte den beiden Sekretärinnen zu, obwohl keine von ihrer Arbeit aufblickte, und folgte Dr. Greenspoon in sein Sprechzimmer, einem sehr schönen Raum mit großen Fenstern und eingebauten Bücherregalen. Zwei burgunderrote Ledersofas standen einander gegenüber, dazwischen ein langer ovaler Glastisch. In einer Ecke stand schräg ein großer Mahagonischreibtisch, nicht weit davon entfernt ein weiterer, kleinerer Glastisch, zu dem zwei Sessel mit einem feinen rosa-grauen Streifen gehörten.
    Walter Greenspoon mußte ungefähr fünfzig Jahre alt sein. Er war weit größer und massiger, als Bonnie erwartet hatte. Vielleicht lag das daran, daß auf dem Zeitungsfoto nur Kopf und Schultern zu sehen waren. Sie war jedenfalls überrascht von diesem imposanten Körper. Er war gut über einen Meter achtzig groß mit dem breiten Oberkörper und den muskulösen Armen eines Footballspielers. Wie zum Ausgleich für dieses beinahe aufdringlich männliche Image trug er ein blaßrosa Hemd und eine rotgemusterte Krawatte. Er hatte blaue Augen, ein weiches Kinn, eine sonore Stimme, in der sich Sanftheit und Autorität auf interessante Weise vereinigten.
    »Das nehme ich gleich an mich«, sagte er, auf das Formular weisend.
    »Ich bin aber noch gar nicht fertig...«
    »Das macht nichts. Wir können es zusammen ausfüllen. Nehmen Sie Platz.«
    Bonnie ließ sich auf einem der burgunderroten Ledersofas nieder, Dr. Greenspoon setzte sich ihr gegenüber auf das andere. Sie wartete schweigend, während er ihre Angaben durchlas.
    »Bonnie Lonergan?«
    Bonnie räusperte sich. »Ja.« Sie räusperte sich noch einmal.
    »Und wie alt sind Sie, Mrs. Lonergan, wenn ich fragen darf?«
    »Ich werde im Juni fünfunddreißig«, antwortete sie ihm.
    »Und Sie wohnen in Weston, wie ich sehe. Eine hübsche Gegend.«
    »Ja.«
    »Sie sind verheiratet?«
    »Ja. Seit fünf Jahren.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Eine Tochter. Sie ist drei. Und zwei Stiefkinder«, fügte sie hinzu und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum hatte sie ihm das gesagt?
    »Welchen Beruf üben Sie aus?«
    »Ich bin Lehrerin an einer High School. Für Englisch«, antwortete Bonnie und fragte sich, wann sie diesen sinnlosen Austausch von Informationen beenden und auf den Zweck ihres Besuchs kommen konnte. Aber vielleicht war dieses Geplänkel ja ganz gut, um die Atmosphäre zu lockern. Vermutlich war das der Zweck der Übung.
    »Unterrichten Sie gern?«
    »Sehr gern«, antwortete Bonnie wahrheitsgemäß.
    »Das ist schön. Meiner Erfahrung nach gibt es nicht viele Menschen, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Das ist jammerschade. Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Probleme?«
    »Nein.«
    »Keine Migräne, Magenkrämpfe, Schwindelanfälle?«
    »Nein, ich bin beinahe ekelhaft gesund. Ich werde nie krank.«
    Er lächelte. »Nehmen Sie regelmäßig irgendwelche Medikamente?«
    »Nur die Pille.«
    »Und was für Kinderkrankheiten haben Sie durchgemacht?«
    »Die Windpocken.« Automatisch berührte sie eine kleine Narbe über ihrer rechten Augenbraue. »Meine Mutter hat mir immer wieder gesagt, daß ich nicht kratzen soll.«
    »Dazu sind Mütter da. Möchten Sie mir nicht ein bißchen was über sie erzählen?«
    »Wieso denn?«
    »Ich lasse mir von meinen Patienten immer gern ein wenig über ihr Leben erzählen, ehe wir anfangen«, erklärte er ruhig.
    »Ich glaube, das ist in dem Fall wirklich nicht nötig«, sagte Bonnie. »Ich meine, ich bin nicht hergekommen, um über meine Mutter zu sprechen.«
    »Sie wollen also nicht über sie sprechen?«
    »Da gibt es nichts zu sagen. Außerdem wissen Sie wahrscheinlich sowieso alles über sie«, fügte Bonnie stotternd hinzu, der plötzlich einfiel, daß sie sich ja als Joans Schwester ausgegeben hatte. Hatte auch Dr. Greenspoon vergessen, wer sie angeblich war?
    »Ich weiß alles über Ihre Mutter?« wiederholte er.
    »Doktor Greenspoon«, sagte Bonnie, »ich bin Joan Wheelers Schwester.«
    Walter Greenspoon legte das Formular neben sich auf das Sofa. »Entschuldigen

Weitere Kostenlose Bücher