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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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über sie und gab ihr einen Kuß auf die Stirn.
    »Bonnie!« rief Lauren schwach, als sie schon an der Tür war.
    Bonnie blieb stehen. »Ja?«
    »Könntest du nicht bei mir bleiben, bis ich eingeschlafen bin?«
    Die Tränen schossen Bonnie in die Augen. Was für ein Abend, dachte sie, als sie zu Laurens Bett zurückkehrte und sich setzte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß die Chiffonschals gut verborgen waren, nahm sie Laurens Hand und hielt sie, bis das Kind eingeschlafen war.

16
    Am Freitag nachmittag fuhr Bonnie zu Dr. Walter Greenspoon.
    Es war kein schöner Tag. Seit dem frühen Morgen verdunkelten Regenwolken den Himmel, und die kühlen Temperaturen entsprachen mehr einem Oktober-als einem Maitag. Lauren fühlte sich noch immer nicht wohl, so daß Bonnie inzwischen den Verdacht hatte, nicht das Abendessen war der Grund ihrer Übelkeit, sondern eine Virusgrippe. Ganz gleich, Lauren hatte noch im Bett gelegen, als Bonnie am Morgen zur Schule aufgebrochen war. Sie hatte sie nicht gestört; Lauren hatte Schlaf jetzt wahrscheinlich dringender nötig als Unterricht.
    Rod war wieder einmal in aller Frühe verschwunden. Ein weiteres Arbeitsfrühstück im Studio zur Vorbereitung auf die Konferenz in Miami. Über die Möglichkeit, daß sie ihn nach Florida begleitete, war kein Wort mehr gefallen. Diese Aussicht schien sich mit Joans Ermordung in Luft aufgelöst zu haben. Aber es war sowieso nicht daran zu denken, daß sie ausgerechnet jetzt wegfahren und die Kinder alleinlassen würde. Auch wenn die Polizei gestern angerufen und mitgeteilt hatte, daß den Untersuchungen zufolge das Blut, mit dem Amanda bespritzt worden war, von einem Tier stammte und nicht von einem Menschen, konnte man den Anschlag selbst nicht einfach vergessen. Ihr Kind war in Gefahr, genau wie Joan gesagt hatte.
    Und ich bin auch in Gefahr, dachte Bonnie, als sie die Mount Vernon Street in Beacon Hill hinauffuhr und sah, daß nicht weit vor ihr gerade eine weiße Corvette aus einer Parklücke ausscherte. Mein Kind und ich sind in Gefahr, und niemanden scheint das übermäßig zu kümmern. Die Polizei ist völlig gleichgültig; mein Mann verschließt die Augen; niemand hat eine Ahnung, was geschehen soll.
    Außer vielleicht Joans Mörder, dachte Bonnie fröstelnd.
    Alles hängt von mir ab, dachte Bonnie, als sie ihren Wagen in eine eben frei gewordene Lücke manövrierte. Sie betrachtete das elegante rote Backsteinhaus, in dem sich die Praxis von Dr. Walter Greenspoon befand, und sah auf ihre Uhr. Es war zehn vor zwei. Was sollte sie eigentlich dem Doktor erzählen? Was hoffte sie, über Joan aus ihm herauszuquetschen?
    Bonnie lehnte sich in dem beigefarbenen Ledersitz ihres Wagens zurück, schloß die Augen und schüttelte den Kopf. Bisher hatte sie jedenfalls herzlich wenig Erfolg mit ihren Bemühungen gehabt. Josh Freeman ging ihr immer noch geflissentlich aus dem Weg. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er keinen Fuß mehr ins Lehrerzimmer gesetzt, und jedesmal wenn sie einander irgendwo in den Korridoren begegneten, senkte er den Kopf, um sie nicht ansehen zu müssen, und ging schneller. Und Haze – er hatte ihre letzten beiden Stunden geschwänzt, und auf ihre Anrufe bei seinen Großeltern hatte sich niemand gemeldet. Sie hatte ihnen auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen und sie gebeten, zum Tag der offenen Tür in der nächsten Woche zu kommen, aber sie hatte nicht viel Hoffnung, sie dort tatsächlich zu sehen. Ihr Gespräch mit Caroline Gossett hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und ihr Besuch bei Elsa Langer war ein totaler Schlag ins Wasser gewesen. Was also glaubte sie damit zu erreichen, daß sie Bostons erstem Pop-Psychologen einen Haufen Lügen auftischte?
    Seufzend öffnete sie die Wagentür und stieg aus. Das Reihenhaus aus rotem Backstein war typisch für die Wohnhäuser in diesem exklusiven Teil Bostons. »Vornehm« war das Adjektiv, das am häufigsten zu ihrer Beschreibung verwendet wurde, und es paßte. Diese alten Häuser aus dem neunzehnten Jahrhundert mit den Bogenfenstern im oberen Stockwerk wurden von kundigen und liebevollen Händen gepflegt und instandgehalten; die kleinen Vorgärten zeigten sich hübsch und adrett hinter niedrigen schmiedeeisernen Zäunen; die Messingklopfer an den massiven Holztüren glänzten, als würden sie nie berührt.
    Langsam stieg Bonnie die acht Stufen zur Haustür hinauf, überflog das Klingelbrett mit den Namen diverser Ärzte und drückte auf den Knopf für

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