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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Dr. Greenspoons Praxis.
    »Ihr Name, bitte«, klang eine Stimme klar und deutlich über die Sprechanlage.
    Bonnie fuhr zurück und sah sich um, als müsse sie sich vergewissern, daß sie die Angesprochene war. »Bonnie«, antwortete sie und zögerte. »Bonnie Lonergan.«
    Der Türöffner summte – kurz, gedämpft, sachlich. Bonnie stieß die schwere Haustür auf und trat in das schwarz-weiß geflieste Foyer. Ein goldener Pfeil an der holzgetäfelten Wand zeigte den Weg zu Dr. Greenspoons Praxis in der ersten Etage. Bonnie stieg die mit dunkelblauem Teppich bespannte Treppe hinauf.
    Die Praxis war rechts von der Treppe, hinter einer zweiflügeligen Mahagonitür. Bonnie klopfte vorsichtig, als wäre sie selbst nicht sicher, ob sie überhaupt gehört werden wollte. Wieder summte ein Türöffner, und sie trat ein.
    Zwei Sekretärinnen, eine Schwarze und eine Weiße, beide jung und äußerst gepflegt, saßen hinter einem großen gebogenen Empfangstisch. Sie blickten gleichzeitig auf und lächelten entgegenkommend, als sie eintrat. Auf zwei Messingschildchen standen ihre Namen: Erica McBain und Hyacinth Johnson.
    »Mrs. Lonergan?« fragte Erica McBain mit der rauchigen Stimme in gedämpftem Ton.
    »Ja«, antwortete Bonnie. Es sah aus, als sei die Kleidung der beiden Sekretärinnen auf dem Dekor der Räume abgestimmt. Alles war in weichen Grau-und Rosetönen gehalten, vom tiefen Altrosa der beiden zweisitzigen Sofas beim Fenster bis zum blassen Rose von Hyacinth Johnsons Bluse; vom gedämpften Grau des Teppichs zum Anthrazitgrau von Erica McBains Rock. Bonnie fühlte sich fehl am Platz in ihrem Hosenanzug in grün-weißem Hahnentritt, wie Unkraut in einem gepflegten Garten.
    »Der Doktor wird gleich hier sein.« Eine manikürte Hand mit himbeerroten Nägeln schob ein Formular über den Empfangstisch. »Würden Sie das bitte ausfüllen. Das Honorar beträgt zweihundert Dollar pro Stunde und ist jeweils nach der Sitzung zu bezahlen.«
    Bonnie starrte auf das Formular. Name, Adresse, Telefonnummer, Sozialversicherungsnummer, Alter, Beruf, Personenstand, Kinderkrankheiten, Erkrankungen in letzter Zeit, Medikamente, Grund des Besuchs.
    »Ach du lieber Gott«, murmelte Bonnie. So viele Lügen wollten da geschrieben werden.
    »Bitte«, fragte die Sekretärin. »War Ihnen das Honorar nicht bekannt?«
    »Das ist es nicht«, antwortete Bonnie. »Ich habe nichts zu schreiben«, sagte sie, obwohl sie wußte, daß sie mindestens ein halbes Dutzend Stifte in ihrer Handtasche hatte.
    »Bitte.« Hyacinth Johnson schob einen schwarzen Kugelschreiber über den Tisch. »Setzen Sie sich doch.« Die dunklen Augen wiesen auf die beiden zweisitzigen Sofas.
    »Danke.« Bonnie nahm das Formular zum Sofa mit, setzte sich, war erstaunt, als sie merkte, daß der Sitz stabiler war, als sie erwartet hatte. Und was soll ich jetzt tun? fragte sie sich, den Stift in der Hand, ohne zu schreiben. Los, komm schon, drängte sie sich selbst. Mach jetzt nicht in letzter Minute einen Rückzieher. Füll den Fragebogen aus. Eine Halbwahrheit hier, eine Halbwahrheit dort. Du bist doch Lehrerin – machen zwei Halbwahrheiten eine ganze Wahrheit? Schluß mit diesem Unsinn. Name: Bonnie Lonergan. Adresse: Winter Street 250. Sie werden das bestimmt nicht überprüfen und entdecken, daß der Name nicht mit der Adresse übereinstimmt. Los, schreib deine Telefonnummer hin. Sie brauchen sie doch nur für ihre Akten, falls sie dich aus irgendeinem Grund mal erreichen müssen. Sie rufen bestimmt nicht die Telefongesellschaft an, um eventuelle Diskrepanzen festzustellen. Entschuldigen Sie, aber unsere Ermittlungen zeigen, daß niemand mit dem Namen Bonnie Lonergan unter dieser Anschrift und dieser Telefonnummer zu erreichen ist...
    An ihre Sozialversicherungsnummer konnte sich Bonnie nicht erinnern, obwohl sie sie immer auswendig gewußt hatte. Sie mußte in ihrer Tasche nach ihrer Brieftasche suchen, fand sie und ließ sie fallen. Ihr Führerschein fiel heraus und verriet für alle sichtbar ihre wahre Identität. Nur sah überhaupt niemand hin. Erica McBain und Hyacinth Johnson waren viel zu sehr damit beschäftigt, Anrufe zu beantworten und an ihren Computern zu arbeiten, um sich um ihre Identitätsprobleme zu kümmern.
    »Das ist ja absurd«, murmelte Bonnie und schrieb ihre Sozialversicherungsnummer ab. Sie mußte sich beruhigen. Sonst hätte sie gleich hier in der Praxis einen Nervenzusammenbruch, und der Arzt würde sie einliefern lassen. Was vielleicht gar keine so

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