Flieh Wenn Du Kannst
daß er gehen wollte.
»Glaubst du, daß sie etwas denkt?« fragte Lauren, das Gesicht ihrer Großmutter beobachtend.
»Ich weiß es nicht.«
»Irgend etwas muß sie denken«, sagte Lauren.
»Ich glaub’ nicht, daß sie irgendwas denkt«, bemerkte Sam ungeduldig. »Und weißt du, was ich noch glaube? Ich glaube, es ist besser so.« Er öffnete die Tür und ging aus dem Zimmer.
»Zorniger junger Mann«, sagte Mary mit klappernder Prothese. »Genau wie mein verstorbener Mann. Gott hab ihn selig.«
»Wir sollten gehen.« Bonnie berührte sachte Laurens Schulter und war beinahe dankbar, daß das junge Mädchen nicht automatisch zurückwich.
Lauren neigte sich über ihre Großmutter und küßte sie auf die Wange. »Auf Wiedersehen, Großmama«, sagte sie. »Wir kommen bald wieder. Das verspreche ich dir.«
Elsa Langer sagte nichts. Bonnie führte Lauren hinaus.
»Bonnie ist es auf der Heimfahrt schlecht geworden«, erzählte Lauren ihrem Vater, sobald sie zu Hause waren. Sam verschwand ohne ein weiteres Wort nach oben in sein Zimmer.
»Mir war nicht schlecht«, entgegnete Bonnie.
»Doch, du konntest ja nicht mal mehr fahren. Sam mußte nach Hause fahren.«
»Mir war nur ein bißchen schwindlig«, erklärte Bonnie, als sie die Besorgnis im Gesicht ihres Mannes sah. »Ich glaube, die Klimaanlage im Auto funktioniert nicht richtig.«
»Du siehst jedenfalls gar nicht gut aus«, stellte Rod fest.
»Vielen Dank«, sagte Bonnie. »Wo ist Amanda?«
»Mrs. Gerstein ist mit ihr in den Park gegangen.«
»Wann bist du nach Hause gekommen?« fragte sie.
»Vor ungefähr einer halben Stunde.« Rod nahm Bonnie beim Ellbogen und führte sie die Treppe hinauf. »Du gehst jetzt ins Bett und schläfst dich mal gründlich aus.«
»Ach Unsinn, Rod. Mir geht es gut.«
»Fang jetzt nicht an mit mir zu streiten. Du hast offensichtlich eine Grippe. Du gehörst ins Bett. Ich rufe Marla an und sage für heute abend ab.«
»Ach was, bis heute abend bin ich wieder auf den Beinen«, protestierte Bonnie und fragte sich, warum sie das tat. Das Letzte, worauf sie Lust hatte, war ein Abendessen mit Marla Brenzelle.
»Na schön, wir werden sehen, wie du dich später fühlst. Aber jetzt geh erst mal rauf, zieh dich aus und leg dich hin. Ich bring’ dir eine Tasse Tee.«
»Rod...«
»Keine Widerrede!«
»Anscheinend hatte Elsa Langer heute morgen auch schon Besuch...«
»Über Elsa reden wir später.«
»Aber...«
»Später«, wiederholte er.
»So was Blödes«, murmelte Bonnie, die bei jedem Schritt die Treppe hinauf zorniger wurde. »Wahrscheinlich bin ich einfach übermüdet. Ich leg’ mich jetzt eine halbe Stunde aufs Ohr, dann geht’s mir bestimmt wieder gut.«
Als Bonnie die Augen öffnete, sah sie Lauren am Fuß ihres Bettes stehen. Wie schön sie ist, dachte Bonnie, sich im Bett aufrichtend. Lauren hatte ein leuchtendblaues Kleid an, trägerlos, mit einem Rock, der gerade bis zur Mitte der Oberschenkel reichte. Sie sieht sehr erwachsen darin aus, dachte Bonnie und wünschte, sie hätte mit vierzehn so ausgesehen; wünschte, sie könnte jetzt so aussehen.
»Wie schön du bist«, sagte sie mit trockenem Mund.
»Danke.« Lauren lächelte verlegen. »Wie geht es dir?«
»Ich weiß selbst nicht genau«, antwortete Bonnie aufrichtig und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. »Wie spät ist es?«
»Fast halb acht.«
»Was!« Bonnie warf einen Blick auf den Wecker auf ihrem Nachttisch. Hatte sie tatsächlich den ganzen Nachmittag verschlafen? »Ach du lieber Gott, ich muß aufstehen. Ich muß mich fertigmachen.«
»Du bleibst heute abend schön zu Hause«, verkündete Rod, der im dunklen Anzug ins Zimmer kam.
»Ich versteh’ wohl nicht recht«, entgegnete Bonnie und wollte aufstehen.
»Lauren hat sich freiwillig erklärt, mich heute abend zu begleiten«, sagte Rod.
»Was?«
»Hör mal, Schatz«, begann Rod, »du hast eine Grippe. Sei nicht so eigensinnig, gib es zu. Du fühlst dich hundeelend. Du bist nicht in der Verfassung, heute abend auszugehen. Ich kann es mir richtig vorstellen: ein Blick auf Marla und du kotzt ihr das ganze Abendkleid voll. Was meiner Karriere nicht gerade nützlich wäre. Tu uns also bitte allen den Gefallen, und bleib im Bett.«
»Hast du was dagegen?« fragte Lauren schüchtern.
»Dagegen? Nein, natürlich nicht«, antwortete Bonnie, insgeheim hocherfreut über diese Entwicklung der Dinge.
»Amanda hat zu Abend gegessen, und ich habe sie schon ins Bett gebracht«, sagte
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