Fliehe weit und schnell
dieser Geschichte Männer nicht mehr riechen konnte. Das läßt sie Wiederaufleben. Mit Damas lernt sie, daß es bessere Männer gibt als das Miststück, das sie verdroschen hat. Das ist gut, weil ein Leben als Frau ohne Mann ganz logisch keinen Sinn hat. Lizbeth glaubt nicht daran, sie sagt, die Liebe wäre ein Unfug und nur dazu da, um alles am Laufen zu halten. Sie sagt sogar, sie wäre nichts als dummes Zeug, na, da sehen Sie's.«
»War sie mal Prostituierte?« fragte Adamsberg.
»Aber nein!« entgegnete Marie-Belle schockiert. »Warum sagen Sie so was?«
Adamsberg bereute seine Frage. Marie-Belle war offensichtlich noch naiver, als er angenommen hatte, und das war äußerst entspannend.
»Das macht Ihr Beruf«, stellte Marie-Belle bekümmert fest. »Der deformiert alles.«
»Das befürchte ich auch.«
»Und Sie? Glauben Sie an die Liebe? Ich frag gern jeden nach seiner Meinung, weil die Ansicht von Lizbeth hier wie ein Gesetz ist.«
Da Adamsberg schwieg, nickte Marie-Belle.
»Logisch«, folgerte sie, »bei alldem, was Sie so sehen. Aber der Berater ist für die Liebe, dummes Zeug hin, dummes Zeug her. Er sagt, besser ein bißchen dummes Zeug, als sich daheim zu langweilen. Das stimmt, jedenfalls bei Eva. Seitdem sie abends mit Damas Kasse macht, hat sie mehr Schwung. Nur liebt Damas eben Lizbeth.«
»Ja«, erwiderte Adamsberg, der ohne großes Mißfallen merkte, daß sie sich im Kreis drehten. Je stärker sie sich im Kreis drehten, desto weniger würde er sagen müssen, und desto schneller würde er den Pestbereiter und die vielen hundert Türen vergessen, die in diesem Augenblick mit Vieren versehen wurden.
»Und Lizbeth liebt Damas nicht. Also wird Eva logischerweise Kummer haben. Damas wird ebenfalls Kummer haben, und bei Lizbeth weiß ich's nicht.«
Marie-Belle suchte nach einer anderen Variante, mit der alle zufrieden sein konnten.
»Und Sie?« fragte Adamsberg. »Lieben Sie jemanden?«
»Mit meinen zwei Brüdern habe ich schon genug Männer, mit denen ich mich beschäftigen muß«, sagte Marie-Belle errötend und tippte mit dem Finger auf ihren Brief.
»Schreiben Sie Ihrem Bruder?«
»Dem jüngeren. Er lebt in Romorantin und bekommt gerne Post. Ich schreibe ihm jede Woche und rufe ihn an. Ich hätte gern, daß er nach Paris kommt, aber Paris macht ihm Angst. Damas und er sind nicht sehr geschickt. Der Kleine noch weniger. Ich muß ihm immer sagen, was er machen soll, sogar mit den Frauen. Dabei ist er ein hübscher Junge, sehr blond. Aber nein, er wartet drauf, daß ich ihn schubse, sonst rührt er sich nicht. Also muß ich mich logischerweise um sie kümmern, bis sie heiraten. Da hab ich was zu tun, vor allem, wenn Damas jahrelang für nichts und wieder nichts auf Lizbeth wartet. Und wer trocknet hinterher die Tränen? Der Berater sagt, ich wär nicht gezwungen, mich drum zu kümmern.«
»Das stimmt.«
»Dabei kümmert er sich doch ziemlich viel um die Leute. Den ganzen Tag kommen sie in sein Büro, und er klaut sich sein Geld wirklich nicht zusammen. Er gibt keine wertlosen Ratschläge. Aber ich kann meine Brüder doch nicht fallenlassen.«
»Das schließt nicht aus, daß Sie jemanden lieben.«
»Doch, das schließt es aus«, erklärte Marie-Belle entschlossen. »Und mit der Arbeit, mit dem Geschäft, lerne ich logischerweise nicht viele kennen. Es gibt niemanden hier auf dem Platz, der mir gefallen würde. Der Berater sagt, ich soll ein bißchen weiter weg suchen.«
Die Pendeluhr des Cafés schlug halb acht, und Marie-Belle sprang auf. Sie faltete eilig ihren Brief zusammen, klebte eine Briefmarke auf den Umschlag und stopfte ihn in ihre Tasche.
»Entschuldigen Sie, Kommissar, aber ich muß gehen. Damas wartet auf mich.«
Sie rannte los, und Bertin kam, um die Gläser abzuräumen.
»Geschwätzig«, erklärte der Normanne, wie um Marie-Belle zu entschuldigen. »Man darf auch nicht alles glauben, was sie über Lizbeth sagt. Marie-Belle ist eifersüchtig, sie hat Angst, daß Lizbeth ihr ihren Bruder abspenstig macht. Das ist menschlich. Lizbeth ist eine Frau, die über den anderen steht, das können nicht alle verstehen. Bleiben Sie zum Abendessen?«
»Nein«, antwortete Adamsberg und stand auf. »Ich habe zu tun.«
»Sagen Sie, Kommissar«, fragte Bertin, der ihm bis zur Tür folgte, »soll man diese Vier nun malen oder nicht?«
»Es heißt doch, Sie seien ein Nachfahre des Donners?« fragte Adamsberg und wandte sich um. »Oder ist das nur Tratsch, den ich auf dem Platz gehört
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