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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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später hingerichtet«, sagte Freiflug.
    »Wie … «
    »Wie die Geschwister Scholl einige Jahre zuvor, ja, da gibt es gewisse Parallelitäten. Die DDR übergab Belter den Sowjets, obwohl dies der Verfassung der DDR widersprach und Ulbricht, damals Staatsratsvorsitzender, wenige Wochen zuvor noch versichert hatte, kein Deutscher würde an die Besatzungsmacht ausgeliefert. Belter wurde am 28. April 1951 in Moskau durch Genickschuss getötet.« Freiflug raschelte mit seinen Papieren. »Seine sterblichen Überreste hat man auf dem Friedhof Donskoje verscharrt. Wir kennen den Absender dieser E-Mail nicht und kommen auch beim Rückverfolgen der Daten auf keinen grünen Zweig, weil der Absender sich mit dem Verwischen von Spuren im Netz offenbar mindestens so gut auskennt wie wir.«
    »Was meinst du, sind das Antikommunisten? Eine bekannte Gruppe? Eine Gruppe von SED -Opfern?« Nero ließ sein Feuerzeug ein paarmal klicken. »Verdammter Wind.«
    »Die Mail wurde am Montag an alle Landeskriminalämter in Deutschland verschickt. Am Dienstag folgte eine weitere. ›Wir werden für die Rechte jener kämpfen, die noch heute unter den Folgen der SED -Diktatur leiden und bis ins Jahr 2008 keine Unterstützung, keine Entschädigung, keine öffentliche Anerkennung erfahren haben. Wir verfügen über eine Liste von Kadern, deren Rentenbezüge in der Bundesrepublik ein Schlag ins Gesicht aller Opfer sind.‹«, zitierte Markus Freiflug.
    »Womit die Unterzeichner ja nicht unbedingt unrecht haben.«
    »Nein, aber es ist eine Sache, diese Meinung öffentlich oder publizistisch zu vertreten, und eine andere, sie den Ermittlern der Landeskriminalämter in anonymen Mails unter die Nase zu reiben.«
    »Was sagen denn unsere Kollegen in der Abteilung IV dazu?« Nero bezog sich auf die Mitarbeiter im LKA , die sich mit radikalpolitischen, insbesondere terroristischen Bedrohungen herumschlugen.
    »Denen ist nichts bekannt. Opferverbände kündigen in der Regel keine Gewaltakte an, weil sie keine planen. Die Kollegen haben da ganz andere Probleme auf dem Herzen.«
    »Und Woncka?«, erkundigte Nero sich nach dem Polizeioberrat, der sich im vergangenen Winter besonders dafür starkgemacht hatte, Nero ins LKA zu holen, um das Team der forensischen Informations- und Kommunikationstechnik zu unterstützen.
    »Hält die Sache nicht für relevant. Wir haben hier eine Menge Kompost auf unseren Schreibtischen. Fängt allmählich zu stinken an«, regte Markus Freiflug sich auf. »Da bleibt absolut keine Zeit für Ex-Sozis. Aber irgendwie habe ich ein komisches Gefühl.« Im Hintergrund klingelte ein Telefon. »Sorry, da muss ich ran. Ich melde mich wieder.«
    »Tschüss!« Nero drückte auf die Aus-Taste und zündete sich endlich seine Zigarette an.

13
    Als am Freitag, dem 29. August 2008, gegen 15 Uhr das Telefon klingelte, verspürte Simona Mannheim eine eigentümliche Vorahnung. Sie war eine gestandene Frau von 72 Jahren, der der Glaube an die Macht der Intuition noch nicht abhanden gekommen war. Während sie einige Sekunden vor dem schrillenden Telefon stand, schien es ihr, als hülle ein eiskalter Hauch ihren Körper ein.
    »Mannheim.«
    »Es ist schiefgegangen!«
    Simona schwieg. Die Stimme am anderen Ende der Leitung war ihr vertraut, nach Wochen des Planens, Hoffens, Zweifelns. Aber sie fürchtete diese Stimme auch. Weil Endgültigkeit Angst machte.
    »Hast du gehört?«
    »Ja«, antwortete Simona. »Wo bist du?«
    Das Gespräch wurde unterbrochen. Simona legte das Telefon weg und ging in den Garten.
    Sie würde sich selbst kümmern müssen.

14
    Zurück auf dem Schloss, erdrückte mich die Einsamkeit. Es roch muffig und nach Metall, und ich bildete mir ein, es sei der Tod, der in den Ritzen lauerte. Ich riss alle Türen und Fenster auf, atmete tief durch.
    Jeder Schritt schmerzte. Die Leere des alten Gemäuers brüllte in meinen Ohren. Vollkommen erschöpft hockte ich mich im Speiseraum auf einen Stuhl, zog die Beine an und umklammerte meine Knie.
    Furcht besetzte meinen Körper. Ich begann zu zittern. Brennender Durst verätzte meine Kehle, in meinem Kopf dröhnte eine Schwadron Flugzeuge. Meine Lider waren geschwollen. Ich hätte literweise trinken können.
    Damals, nach dem Anschlag, als ich mich wochenlang nach der Sepsis nicht erholte, gab man mir Antidepressiva. Cocktails, die dafür sorgten, dass meine Stimmung nicht in den Keller rutschte. In der inneren Gummizelle war ich zu müde für Ängste, zu schlapp, um einen klaren Gedanken zu

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