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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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sicher, dass Sie den nervlichen Belastungen gewachsen sind?«, fragt er schließlich. »Es besteht immer die Gefahr einer Verhaftung. Sie müssen unter Umständen lange auf Ihre Tour warten. Das zehrt an den Nerven.«
    »Damit komme ich klar.«
    »Sie dürfen mit niemandem über das alles sprechen. Niemand darf den Hauch einer Ahnung haben, was Sie planen.«
    »Wann?«, fragt Larissa, stellt die Dose auf die Stufen und legt die Fotos auf den Deckel. Alex nimmt ihr die Noten aus der Hand und blättert darin.
    »September, spätestens Oktober. Sie bekommen Bescheid. Jemand wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
    »Kennen Sie Leute an der Grenze?«
    »Darüber spreche ich nicht.« Alex streckt sich. »Haben Sie den Schuldschein?«
    Sie deutet auf das Notenheft und fragt: »Sie spielen wirklich Klavier, nicht wahr?«
    Alex zuckt die Schultern. »Sie bekommen Nachricht«, sagt er und steht auf. »Danke für die Kekse.«
    Auch Larissa erhebt sich. Sie schütteln einander die Hand. Herzlich, mit einem Lächeln.

11
    Ich hatte ungefähr 20 Minuten geschlafen, war endlich in jenem erholsamen Reich des Vergessens angekommen, als etwas auf meinen Kopf schlug. Im Viervierteltakt.
    Steppschuhe, die die Signalmelodie ›Tap Dance‹ meines Handys parodierten.
    »Hallo?«, murmelte ich und hustete.
    »Gelbach hier. Haben Sie noch geschlafen?«
    »Wie kommen Sie darauf!«
    »Die Gräfin hat ein paar gute Minuten. Sie möchte Sie sehen, Frau Laverde. Können Sie in die neurochirurgische Poliklinik kommen?«
    Ich konnte. Mit einem halben Honigbrötchen und einer Tasse Kaffee im Magen rauschte ich über die B 22 nach Würzburg. Im Laufschritt eilte ich durch das Treppenhaus. Neurotisch, wie ich war, mied ich den Lift. Keuchend blieb ich vor der Intensivstation stehen und klingelte, sagte brav meinen Namen, wurde eingelassen.
    Krankenhäuser machten mich fertig. Zu viele Monate hatte ich in ihnen vegetiert. Zwar hatte man mir dort geholfen, aber letztlich war ich doch der Meinung, dass Kliniken einen Menschen nicht gesund machten. Sie stellten in dramatischen Angelegenheiten das Leben sicher. Um die Gesundheit musste man sich dann selber kümmern.
    Der Polizist, der auf Larissa aufpasste, besah sich gründlich meinen Perso, bevor er mich in das Abteil lotste, in dem Larissa um ihr Leben kämpfte.
    Ihr Kopf steckte in einem Turban aus Mull, aus dem mehrere Schläuche ragten. Ihre Augen waren geschlossen und umrandet von Hämatomen. Der Monitor neben dem Bett zeigte an, dass ihr Herz schlug und ihr Gehirn seine Arbeit verrichtete.
    »Gräfin?«, fragte ich zaghaft und berührte sacht ihre auf dem Laken ruhende Hand. »Ich bin es. Kea Laverde.«
    Ich war von Berufs wegen an lange Pausen gewöhnt. Oft brauchten meine Kunden Zeit, um sich zu sammeln und zu entscheiden, in welche Richtung sie ein Interview lenken wollten. Manche entschlossen sich erst nach langem Schweigen, ein Geheimnis preiszugeben, von dem sie bis zum Gespräch mit mir noch nicht gewusst hatten, dass es überhaupt existierte.
    Also wartete ich einfach. Ich ließ meine Hand auf Larissas Fingern liegen und sah an ihrem zerstörten Schädel vorbei an die Wand.
    »Finden Sie Katjas Mörder«, murmelte die Gräfin nach vielen Minuten.
    Ich schoss in die Höhe wie ein Geysir. »Wer ist Katja?« Auch an konkrete Nachfragen war ich gewöhnt, und das war ein Glück, denn in meinem Kopf summierten sich in einer Millisekunde ganze Latten von Fragen. Wer war Katja? Wieso ›Mörder‹? Wie stand Katja zu Larissa?
    »Finden Sie Katjas Mörder.«
    »War er der Besucher?«
    Es kam keine Antwort. Ich wartete. Fragte noch einmal.
    »Gräfin, war der Mann, der Sie am Mittwochabend aufsuchte, Katjas Mörder?«
    Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass in einem Zustand zwischen Himmel und Erde so etwas wie Zeit nicht existierte. Ich drängte Larissa daher nicht weiter. Ein Pfleger kam herein und prüfte die Apparaturen neben dem Monitor. Er warf mir einen scheelen Blick zu, sagte kein Wort und verschwand lautlos.
    Vielleicht war das Zucken in Larissas Gesicht ein Lächeln, vielleicht spielte auch nur ein Nerv verrückt.
    Wieder geschah über lange Zeit nichts. Dann, mit einem Mal, schlugen die Messgeräte Kapriolen. Weißkittel stürmten herbei, schubsten mich zur Seite und stürzten sich auf die Gräfin. Ich schlich auf den Gang.
    Der Polizist saß auf einem Hocker und las Zeitung.
    »Hat sie etwas gesagt?«, fragte er, aber es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.
    Ich

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