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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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oder?«
    »Doch. Mit meinem Bruder.« Das stimmte nicht ganz. Am Anfang, als Janne mich in der Klinik regelmäßig besucht, mich mit vernünftigem Essen versorgt hatte … ja, damals hatte ich mit ihm über die Albträume und die Ängste der Nacht geredet. Aber später, als ich entlassen war, als geheilt galt, hatte ich nur noch den Wunsch verspürt, alles zu vergessen.
    »Sie machen das Meiste mit sich selbst aus«, stellte Nero fest. »Das ist die Kehrseite von Kühnheit und Unnachgiebigkeit.« Er stand auf, goss Kaffee in zwei Tassen und reichte mir eine. Er wusste inzwischen genau, dass ich den Kaffee schwarz trank. Das gefiel mir.
    »Warum tauschen Sie sich nicht mit jemandem aus? Wenn Sie Ihr Trauma immer nur alleine wälzen, wird es unauflösbar und begleitet Sie Ihr ganzes Leben.«
    Na, vielen Dank, Herr Kommissar, für die Belehrung. Ich nippte an meinem Kaffee.
    »Sie geben sich selbst die Schuld an dem, was passiert ist. Fragen sich, ob Sie das nicht hätten verhindern können. Aber natürlich konnten Sie den Anschlag nicht beeinflussen. Sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    Ich erstarrte. Tatsächlich war ich damals ganz begeistert von der Idee gewesen, im Hard Rock Café den Geburtstag meines damaligen Freundes Mario zu feiern. Genau dort war die Bombe später hochgegangen. Mario hatte nichts abgekriegt. Er hatte zum Zeitpunkt der Explosion ein paar Leute ins Hotel begleitet. Glück für ihn, Pech für mich. Ich Idiotin. Ich Riesendepp. Ich Unglücksrabe.
    »Sie hatten keinen Einfluss auf die Ereignisse!«, sagte Nero.
    »Nein«, antwortete ich brav. »Ich war nur das dumme Opfer.«
    »Damals ja. Aber mittlerweile sind Sie kein Opfer mehr. Sie haben Ihr Leben wieder in die Hand genommen. Richten Sie Ihre innere Kraft zur Abwechslung einmal nicht gegen sich selbst!«
    Matt vom Weinen und dem ganzen Auf und Ab meiner Gefühle, seufzte ich lang und anhaltend. Für Predigten war meine Freundin Juliane zuständig. Mit ihren 77 durfte sie nerven. Nero sollte sich da lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
    »Ich wollte damit sagen«, erklärte Nero und ließ sich wieder an meiner Seite auf den Boden sinken, wobei ein paar Tropfen Kaffee auf seine Jeans schwappten, »wenn Sie sich entscheiden, Ihre Probleme nicht alleine zu lösen, dann stehe ich zur Verfügung.«

16
    Wir schlenderten die Auffahrt hinunter. Wieder hatte die Jahreszeit gewechselt. Der Sommer war zurück und schenkte einen warmen, in sattes Orange getauchten Abend her. Die Bewegung und die Natur würden mir neue Kraft geben. Nero fand das offenbar auch. Alle paar Meter blieb er stehen und erklärte mir einen Stängel oder ein Blatt.
    »Ich wusste nicht, dass Sie einen grünen Daumen haben.«
    »Das ist eher theoretisches Wissen.«
    »Wenn man in der Stadt lebt, so wie Sie, ohne Garten, ist es mit der Umsetzung ja auch nicht einfach.«
    »Ich habe mit Frau Gelbach telefoniert.«
    »Habe ich mir schon gedacht.«
    Er sah mich amüsiert an. »Wir kennen uns seit einer Fortbildung vor zwei Jahren. Sie ist eine kompetente Kollegin. Und sehr nett.«
    Ich schwieg und dachte, was jede Frau in meinem Seelenzustand gedacht hätte.
    »Was ich an Sie weitergebe, ist ausschließlich für Ihre Ohren bestimmt«, betonte Nero.
    »Klar.«
    Er sah mich durchdringend an, während ich mit dem Schuh an dem Moos herumkratzte, das zwischen den unebenen Pflastersteinen nistete.
    »Sie sind aus dem Schneider. Die Kriminaltechnik hat alles an Spuren aufgegabelt, was das Schloss hergibt. Kea Laverdes DNA ist überall, nur nicht im gräflichen Schlafzimmer und im Grünen Salon.«
    »Meine DNA ?«
    »Speichelreste, ein Haar, dies und das.«
    Ich war erleichtert und schockiert zugleich.
    »30 Sekunden sprechen hinterlässt ausreichend DNA , um herauszufinden, wo ein bestimmter Mensch sich aufgehalten hat.«
    »Aber ich habe denen doch nichts von mir gegeben«, protestierte ich.
    »Quatsch. Die Kollegen haben das ganze Schloss auf den Kopf gestellt! Ihr Zimmer ebenfalls. Zahnbürste, Kamm, Haarklammern … da fanden sie, was sie brauchten.«
    »Ist das legal?«
    »Darum geht’s jetzt nicht. Sie sind jedenfalls vom Haken. Die Ermittlungen nehmen Fahrt auf. Zunächst haben wir drei Zeugenaussagen aus dem Ort.«
    Ich hielt den Atem an.
    »Es klingt besser, als es ist. Ein Zeuge will am späten Abend des 27. 8. einen Mann gesehen haben. Zwischen 60 und 70 Jahren alt. Übergewichtig, volles graues Haar, glattrasiert. Keiner aus dem Dorf, keiner aus einem

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